Die Ergebnisse einer Studie über die Arbeitsmarktsituation, berufliche Stellung und Einschätzung der Lebens- und Arbeitsverhältnisse türkeistämmiger  Studierender und Hochschulabsolventen in Deutschland wurden im Rahmen eines Pressegesprächs im ZfTI vorgestellt.

ZfTI

ESSEN, 03.05.2016 – Der Aufenthalt der in den 1960er Jahren zunächst für eine begrenzte Zeit angeworbenen türkischen „Gastarbeiter“ verstetigte sich mit der Zeit, insbesondere nach der Beendigung der Anwerbung 1973, als immer mehr Familienangehörige nach Deutschland nachgeholt wurden. Das „Gastland“ wurde nach und nach zur Wahlheimat, was sich deutlich in der Übernahme der deutschen Staatsbürgerschaft niederschlägt. Heute besitzen nach Angaben des Mikrozensus 2014 von den 2,86 Mio. Türkeistämmigen in Deutschland noch 1,46 Mio. die türkische Staatsbürgerschaft, 595.000 sind eingebürgert, 805.000 erwarben den deutschen Pass qua Geburt; 215.000 besitzen die doppelte Staatsangehörigkeit. Schätzungsweise lebt jede vierte Familie im Eigenheim. Das Bildungsniveau steigt ebenfalls an, so dass der Anteil der Hochschulabsolventen an den erwachsenen Türkeistämmigen in NRW von 5,3% 1999 auf 10,5% 2013 angestiegen ist.

Vor diesem Hintergrund waren die hochqualifizierten Türkeistämmigen, die in Deutschland studieren oder einer Beschäftigung nachgehen, Gegenstand einer von der Universität Bayburt und dem ZfTI durchgeführten und von der türkischen Wissenschaftsförderungsorganisation TÜBITAK finanzierten Studie, die ihre berufliche Stellung und ihre Wanderungsabsichten thematisierte. Unter der Leitung von Atakan Durmaz, Dozent an der Bayburt-Universität und Caner Aver, Programmverantwortlicher  Hochschule und Migration am ZfTI, wurden erste Ergebnisse nun vorgestellt.

Von den 1.126 für die befragten türkeistämmigen Studierenden und Hochschulabsolventen waren 450 noch im Studium. Die Hochschulabsolventen weisen in den letzten Jahren eine zunehmend positive Entwicklung bei der  Arbeitsmarktintegration auf. Demnach konnten 49% der Absolventen nach ihrem Hochschulabschluss unmittelbar eine berufliche Anstellung finden, 72% fanden innerhalb von drei Monaten eine Beschäftigung. Auf die Frage nach Diskriminierungserfahrungen während der Bewerbungsphase antworteten 54% mit Nein und 28% mit Ja.

Ein Wandel der Lebensstile wie auch die Entstehung eines türkischen Bildungsbürgertums wurde durch die Studie belegt. Demnach sind 63% der Befragten Singles und 35% verheiratet, die Ehepartner der Forschungsteilnehmer haben zu 68% mindestens einen Bachelor-Abschluss. Familiengründungen finden also vermehrt innerhalb des eigenen sozialen Milieus statt.

Hinsichtlich der Einschätzung der Investitionsbedingungen in der Türkei empfinden die Befragten diese als besonders positiv, während die beruflichen und Bildungsperspektiven sowie die politische und soziale Situation als durchschnittlich bis eher schlecht bewertet werden. Die Arbeits-, Karriere- und sozialen Bedingungen in Deutschland werden demgegenüber positiv bewertet, Faktoren wie Integration, Toleranz gegenüber Fremden, rechtliche Rahmenbedingungen wie Aufenthaltsrecht und Erwerbserlaubnis sehen die Befragten aber als Hinderungsgründe für den Berufserfolg. 40% aller Befragten erwägen eine Migration in die Türkei, aber nur 13% von allen gaben an, in den nächsten fünf Jahren zurückkehren zu wollen. Die meisten haben sich also faktisch  für Deutschland entschieden. 86% wären aber bereit, einen Beitrag zur Entwicklung der Türkei zu leisten, was auf einen nationalstaatliche Grenzen überschreitenden Horizont hindeutet.

Herkunft der Befragten (N = 1.126)

Grafik: Wann sind Sie nach Deutschland gekommen?

Studienleitung

Caner Aver
Stiftung Zentrum für Türkeistudien und Integrationsforschung
Programmverantwortlicher Hochschule und Migration

Atakan Durmaz
Bayburt Universität Türkei
Dozent für Wirtschaftswissenschaften