Nach den Verhandlungen für das historische Klimaabkommen in Paris im letzten Dezember, der denkwürdigen Unterzeichnungszeremonie in New York und viel Schulterklopfen trafen sich in den letzten Wochen die Klimaakteure erneut in Bonn. Die jüngste Klimarunde der UNFCCC mit ca. 1900 Regierungsvertretern, 1500 Beobachtern und 100 Medienvertretern begann, darüber zu diskutieren, wie das Pariser Abkommen in die Tat umzusetzen sei. Natürlich sind die Auslegung des Klimaabkommens und die Umsetzungsplanung der internationalen Bürokratie ein wichtiger nächster Schritt. Aber er wird vermutlich nicht ausreichen, um zu verhindern, dass die Transformation zu mehr Nachhaltigkeit an Schwung verliert. Neben all den Gesprächen muss jetzt gehandelt und die Umsetzung der geplanten Treibhausgasminderungsbeiträge (Nationally Determined Contributions – NDCs) begonnen werden.

In fünf Monaten öffnet die nächste Klimakonferenz in Marrakesch ihre Tore. Bis dahin müssen die Regierungen Ergebnisse vorweisen können, denn eins ist sicher: Die festgelegten Klimaziele ohne substanzielle Beiträge aus der Privatwirtschaft zu erreichen ist ausgeschlossen. Tatsächlich haben ganze Branchen, private und institutionelle Investoren die Klimaverhandlungen mit großem Interesse verfolgt. Mehr noch: Sie haben nicht nur schweigend zugesehen, sondern erstaunlicherweise ihre Bereitschaft betont, aktiv zu werden, – letztlich eine völlig logische Reaktion. Mehr als alle anderen wollen Privatunternehmen Geld verdienen. Und wenn sie ein starkes Signal erhalten, dass die Wirtschaft einen Wandel erleben wird, ist eine Anpassung an das neue Unternehmensumfeld in ihrem eigenen Interesse. Ganz entscheidend ist es deshalb, dass die Regierungen nun beweisen, dass ihr Bekenntnis zur geplanten Dekarbonisierung ernst gemeint und verlässlich ist. Sie müssen den Privat- und Finanzsektor überzeugen, dass die Zukunft grünen Technologien und grünem Wirtschaften gehört, dass sich globale Wachstumsmodelle verändern werden und dass es kein Zurück mehr gibt – für niemanden.

November ist nicht mehr weit. Daher müssen wir das aktuelle diplomatische Konzept, einen weiteren Katalog globaler, nationaler, regionaler und lokaler Pläne zu erarbeiten, mit praktischem Handeln ergänzen! Parallel zur UNFCCC-Konferenz hat eine kleine Gruppe aus Experten verschiedenster Länder praktikable Lösungen und tragfähige Modelle für eine Ausweitung privater Klimaschutzinvestitionen entwickelt. Im Rahmen des Practitioners‘ Dialogue on Climate Investments (PDCI) vom 23. bis 25. Mai in Bonn erarbeiteten Fachleute unterschiedlicher Hierarchieebenen des öffentlichen, privaten, akademischen und Finanzsektors mehrere konkrete Modell-Projekte, zum Beispiel: die Wiederaufbereitung von Abwässern stark umweltbelastender Industrien (Pharmazie) in Andhra Pradesh, ein Energiespeichersystem für Mininetze und dezentrale Stromversorgung in Indonesien, eine nachhaltige Finanzpolitik für Banken und Finanzinstitutionen in Bangladesh, ein Kreditgarantieprogramm für Klima-Investitionsvorhaben in Pakistan, eine Technologie zur beschleunigten Steigerung der Energieeffizienz auf den Philippinen u. v. a m.

Der PDCI ist ein gutes Beispiel dafür, wie effektiv internationale Konferenzen sein können, wenn das Konzept nicht bloß aus einer Aneinanderreihung von Diskussionsrunden besteht – in den meisten Fällen dominiert von ausschließlich grauhaarigen Männern und unterschwelligen  Machtdemonstrationen, Eigenwerbung und Zuweisungen von Verantwortlichkeiten. Der Schlüssel für schnelles Handeln ist ein Konzept aus gegenseitigem Coaching, der Erkenntnis, dass wir viel voneinander – insbesondere auch von Entwicklungsländern – lernen können, sofortigem Handeln (ohne lange Debatten) und der Offenheit für unverbrauchte, innovative und pragmatische Ideen der Akteure.

Die Umsetzung der meisten entwickelten Modell-Projekte wird bis Jahresende anlaufen. Ebenso sind die Regierungen aufgerufen, ohne Wenn und Aber zu bestätigen, dass sie entschlossen sind, den Klimawandel aufzuhalten, indem sie den Worten Taten folgen lassen. Die Mitglieder des PDCI hatten viele Vorschläge für konkretes Regierungshandeln: (i) Instrumente für eine Risikominimierung bereitstellen, (ii) stabile Investitionsbedingungen schaffen und sichern, (iii) standardisierte Verfahren für die Projektbewertung entwickeln, (iv) in Machbarkeitsstudien und Pilotvorhaben investieren, (v) Fonds mit geringem Volumen auflegen und Projekte bündeln, (vi) wenn staatliche Gelder in Projekte fließen, die Projektdaten veröffentlichen, (vii) die richtige Regulierungfür Pensionskassen festlegen, (viii) die Festsetzung des Kohlenstoffpreises auf die G20-Agenda setzen. Am wichtigsten ist jedoch, dass die Regierungen jetzt aktiv werden und nicht abwarten, bis die nächste Runde an Plänen perfektioniert ist. Der Privat- und der Finanzsektor brauchen ein klares Signal, dass sich Wirtschaftsmodelle seit Paris definitiv geändert haben.

Über die Autorin Nannette Lindenberg

DIE Aktuelle Kolumne vom 6. Mai 2016 können Sie hier lesen. Selbstverständlich auch als PDF.