Noch vor wenigen Jahren wäre die Aufmerksamkeit undenkbar gewesen, die der afrikanische Kontinent gegenwärtig erfährt.
Die deutsche und europäische Politik sind angesichts anhaltender Flucht- und Migrationsbewegungen aus verschiedenen Teilen Afrikas erheblich unter Druck geraten. Die gerade begonnene Afrikareise von Bundeskanzlerin Angela Merkel steht daher im Zeichen der Flüchtlingspolitik.
Es sei eine „strategisch hochwichtige Frage“, wie wir in Zukunft mit unserem afrikanischen Nachbarkontinent umgehen, erklärte die Kanzlerin in der vergangenen Woche. Entwicklungsminister Müller fordert einen „Marshallplan“ für Afrika. Finanzminister Schäuble will im Rahmen der deutschen G20-Präsidentschaft ‚Compacts‘ mit afrikanischen Ländern schließen, um Investitionen zu erhöhen. Die Zeit, in der Afrika jenseits der Entwicklungspolitik ein politisches Randthema war, scheint damit vorbei zu sein.
Dieses gewachsene Interesse an der Kooperation mit Afrika lässt sich nur zum Teil durch die Diskussionen zu Flucht und Migration erklären. So hat das wirtschaftliche Interesse an der Kooperation aufgrund von stetigem Wirtschaftswachstum in Afrika seit 2000 zugenommen. Daneben gibt es ein stärkeres Bewusstsein, dass nachhaltige Entwicklung in Deutschland und Europa sehr eng mit nachhaltiger Entwicklung in Afrika zusammenhängen. Wie die Kanzlerin vor ihrer Abreise betonte: „Wenn wir deutsche Interessen verfolgen wollen, müssen wir realistischerweise sagen, dass auch das Wohl Afrikas im deutschen Interesse liegt.“
Neben Mali und Niger wird Kanzlerin Merkel die Afrikanische Union (AU) in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba besuchen. In Mali beteiligen sich deutsche Soldaten an verschiedenen Missionen zur Stabilisierung des Landes. Durch Niger führen wichtige Transitstrecken für Flüchtlinge und Migranten. In Äthiopien wird Merkel vermutlich v.a. die AU besuchen, da die äthiopische Regierung nun den Ausnahmezustand ausgerufen hat, nachdem bei monatelangen Protesten hunderte Demonstranten durch den unverhältnismäßigen Einsatz der Sicherheitskräfte ums Leben gekommen sind. Nach ihrer Rückkehr wird sie zudem noch die Staatsoberhäupter von Tschad und Nigeria in Berlin treffen.
Der Aufbau besserer Lebensbedingungen und die Reduzierung von Fluchtursachen wie Repression und Bürgerkriege sind keine kurzfristig erreichbaren Ziele. Schnelle Lösungen, die die Zahl der nach Europa drängenden Menschen rasch abnehmen lässt, sind nicht möglich, wie auch die Kanzlerin betonte. Wichtige Orientierungspunkte für deutsche Afrikapolitik sollten sein:
Eine Kombination aus kurz- und längerfristig angelegten Kooperationsansätzen ist ein wichtiger Beitrag, um Herausforderungen in fragilen und post-Konflikt Ländern zu begegnen. Zu Recht betont die Kanzlerin gleichermaßen die Rolle der Entwicklungszusammenarbeit, die eher langfristige Perspektiven hat, und die auf kurzfristige Unterstützung ausgerichtete humanitäre Hilfe. Für beide Bereiche mehr Mittel sinnvoll einzusetzen, ist daher eine kluge Investition in die Zukunft.
Insbesondere in autoritär geführten Ländern stellt sich die Frage nach angemessenen Kooperationsstrategien. In einigen Ländern wie Ghana, Mauritius oder zuletzt Nigeria haben sich demokratische Strukturen gefestigt. In der Mehrheit der Länder ist der Grad der politischen Freiheiten seit 2005 zurückgegangen, etwa in Äthiopien. Studien belegen, dass Demokratieförderung einen wichtigen Beitrag leisten und bspw. in Nachkriegsländern, die Wahrscheinlichkeit eines erneuten Konfliktausbruches reduzieren kann. Die Bundesregierung sollte daher die Förderung nachhaltiger Wirtschaftsentwicklung und sicherheitspolitische Kooperation sehr eng mit Demokratieförderung verknüpfen.
Die Stärkung regionaler Organisationen ist in der Kooperation mit Afrika sehr wichtig, sowohl um Frieden und Sicherheit als auch sozio-ökonomische Entwicklung zu fördern. Europa hat zuletzt vermehrt auf bilaterale Kooperation gesetzt (beispielsweise bei den EU-Migrationspartnerschaften, die auch bei der Reise der Kanzlerin ein wichtiges Thema sind). Die AU und andere Regionalorganisationen sollten jedoch weiter wichtige Partner bleiben. Der Besuch der Kanzlerin bei der AU ist deshalb ein richtiges Zeichen.
Ein gemeinsames Auftreten und Wirken der europäischen Partner ist unabdingbar. Zum einen gilt es, Kräfte in der Kooperation gemeinsam einzusetzen, um mehr Wirkungen zu erzielen. Beispielsweise in der Entwicklungszusammenarbeit, in der Förderung von Frieden und Sicherheit oder von Demokratie und Menschenrechten müssen die EU und ihre Mitgliedsstaaten stärker an einem Strang ziehen. Zum anderen sind vielfach afrikanische Partner durch die zersplitterten Kooperationsansätze unnötig belastest. Auch hier sollte Deutschland weiter eine konstruktive Rolle bei der besseren Verzahnung u.a. der EU-Entwicklungszusammenarbeit spielen.
Die Reise der Kanzlerin ist ein positives Signal für die Stärkung der Kooperation mit afrikanischen Ländern. Allerdings wird nachhaltige Entwicklung in Afrika auch durch Politik innerhalb von Deutschland und Europa beeinflusst. Deutsche und europäische Konsummuster und Produktionsstandards, Energie– und Klimapolitik, Agrarpolitik oder Steuer- und Finanzpolitik haben maßgeblichen Einfluss auf nachhaltige Entwicklungschancen in Afrika. Im Sinne der Nachhaltigen Entwicklungsziele fängt erfolgreiche deutsche und europäische Afrikapolitik daher ‚zu Hause‘ an.
Über die Autoren Christine Hackenesch und Stephan Klingebiel.
Weitere Informationen zu Forschungsarbeiten des DIE im Kontext „Internationale Zusammenarbeit mit Afrika“ finden Sie auf der Seite des DIE in einem Web-Special