Vom 6. bis 17. November 2017 fand in Bonn die Weltklimakonferenz COP23 statt. Das Wuppertal Institut beobachtet kontinuierlich seit Beginn des UN-Klimaprozesses die laufenden Verhandlungen und analysiert die Ergebnisse. In begleitenden Veranstaltungen auf der COP23 stellte es seine Forschung vor und diskutierte konkrete Wege für die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens. Zusätzlich fanden zahlreiche Side-Events zu zentralen Zukunftsthemen statt, mit denen das Wuppertal Institut Impulse gab.
Im November blickt die Welt nach Bonn, wenn dort die 23. Vertragsstaatenkonferenz (Conference of the Parties, kurz COP) der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (United Nations Framework Convention on Climate Change, UNFCCC) stattfindet. Über 20.000 Vertreterinnen und Vertreter aus Diplomatie, Politik und Zivilgesellschaft werden zu dieser Weltklimakonferenz erwartet.
Nicht nur vor Ort, sondern mittendrin: Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Wuppertal Instituts beobachten seit Beginn des UN-Klimaprozesses Anfang der 1990er Jahre die laufenden Verhandlungen, werten die Ergebnisse regelmäßig aus unabhängiger Perspektive aus und stellen die Erkenntnisse der Öffentlichkeit zur Verfügung.
Paris umsetzen: Verhandlung des „Kleingedruckten“
Mit dem Pariser Klimaabkommen schien nach einem Vierteljahrhundert internationaler Klimadiplomatie endlich der Durchbruch geschafft: ein globales Abkommen, in dem alle Staaten den Klimaschutzanstrengungen zusagen. „Die COP muss nun zeigen, dass der Klimaschutzprozess trotz des angekündigten Ausstiegs der USA weiterhin auf Kurs bleibt“, sagt Lukas Hermwille, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Forschungsgruppe Energie-, Verkehrs- und Klimapolitik am Wuppertal Institut. Eine besondere Herausforderung wird sein, in Bonn die Grundlagen für das detaillierte Regelwerk zum Pariser Abkommen zu legen. Dieses „Kleingedruckte“ soll auf der COP24 im kommenden Jahr in Polen verabschiedet werden. Die notwendigen Grundlagen dafür müssten aber schon jetzt geschaffen werden. Zentrale Bausteine sind etwa die Ausgestaltung des sogenannten Transparenzmechanismus sowie Vorgaben zur Ausgestaltung der nationalen Klimaschutzbeiträge (Nationally Determined Contributions, NDCs). Bislang gibt es solche Vorgaben nicht und insgesamt sind die nationalen Ziele wenig transparent und schlecht miteinander vergleichbar. „Bei den Detailregeln entscheidet sich, ob das Abkommen hält, was wir uns seit Paris davon versprechen, oder ob es zu einem zahnlosen Papiertiger wird“, betont Lukas Hermwille und fügt hinzu: „Ohne die USA als starken Verhandlungspartner wird dies ohnehin sehr viel schwerer werden, denn unter Präsident Obama waren die USA noch einer der Vorreiter in Sachen Transparenz.“
USA – vom Vorreiter zum Bremser?
Welche Rolle die USA spielen werden ist noch völlig offen. Denkbar ist ein eher zurückhaltendes Verhalten, aber auch aktive Störung des Prozesses. „In diesem Fall wird es wichtig sein, dass die anderen Staaten eine gemeinsame Front bilden. Politisch liegt die größte Verantwortung bei der Europäischen Union, weil nur sie über die notwendigen Ressourcen und den Einfluss verfügt, das Vakuum auszufüllen, das die USA hinterlassen haben“, sagt Wolfgang Obergassel, Projektleiter in der Forschungsgruppe Energie-, Verkehrs- und Klimapolitik am Wuppertal Institut. Denkbar ist auch, dass die USA sich scheinbar kooperativ verhalten, aber Nachverhandlungen zum Pariser Abkommen fordern. Auch in diesem Fall sollten die anderen Staaten die Reihen schließen. „Das Pariser Abkommen erlaubt seinen Mitgliedstaaten weitestgehende Freiheit in Bezug auf ihre Klimaschutzbeiträge“, erklärt Obergassel. „Der Wunsch nach Nachverhandlungen erscheint so als reine Verzögerungstaktik, um die Dynamik des Prozesses zu bremsen – zumal die USA bisher nicht spezifiziert haben, was genau sie nachverhandeln wollen.“
Nicht-staatliche Akteure mobilisieren und einbeziehen
„Mit dem Ausstieg der USA wird es noch einmal wichtiger, das große Potenzial nicht-staatlicher und insbesondere sub-nationaler Akteure, wie des Landes Nordrhein-Westfalen oder der US-Bundesstaaten, einzubinden“, sagt Prof. Dr. Hermann E. Ott, Senior Advisor für Globale Nachhaltigkeits- und Wohlfahrtsstrategien am Wuppertal Institut. Das sei für den traditionell von den Mitgliedsstaaten getriebenen Prozess der UNFCCC eine besondere Herausforderung. Bislang finde eine solche Einbindung nur am Rande der Verhandlungen statt. Auch die deutschen Bundesländer können diesbezüglich eine zentrale Rolle spielen und wichtige Impulse setzen. Prof. Ott ergänzt: „Es müssen kreative Lösungen gefunden werden, wie nicht-staatliche Akteure innerhalb des Klimaregimes die Vertragsparteien antreiben und ihre Performance überprüfen können. Auch eine Einbindung in mögliche Pionierallianzen außerhalb des Pariser Klimaabkommens wäre ein guter Weg, um die Einhaltung des 2-Grad-Ziels zu unterstützen.“
Das Wuppertal Institut setzt mit Side-Events Impulse
In der „Bonn-Zone“ in der Bonner Rheinaue werden parallel zu den Verhandlungen konkrete Lösungsansätze zur Umsetzung des Pariser Abkommens und zur Begrenzung der Erderwärmung präsentiert. Länder, Nichtregierungsorganisationen (NGOs), internationale staatliche Organisationen (IGOs), UN-Organisationen, Vertreter aus Wissenschaft und Wirtschaft stellen dort ihre Projekte zum Thema Klimaschutz vor. Die Side-Events und Ausstellungen sind ein wichtiger Knotenpunkt für Klimaschutz, Wissensaustausch, Kapazitätsaufbau und Networking. Die Bonn-Zone ist während der Konferenzdauer täglich von 8 bis 22 Uhr geöffnet. Nur registrierte Teilnehmerinnen und Teilnehmer erhalten Zutritt zur UN-Konferenz.
Mit der NRW Climate Lounge, einem neuen Format, das täglich während der COP in Kooperation mit der Landesregierung Nordrhein-Westfalen und der EnergieAgentur.NRW stattfindet, greift das Wuppertal Institut zentrale Umsetzungsthemen der Pariser Beschlüsse auf. Zudem wird zu Beginn der beiden Verhandlungswochen erläutert, welche Themen überhaupt in Bonn auf der Agenda stehen und welche Ergebnisse von der Konferenz erwartet werden können. Eine erste Bewertung der Verhandlungsergebnisse wird am letzten Konferenztag, 17. November 2017, vor Ort im Rahmen der NRW Climate Lounge mündlich zusammengefasst. Wenige Tage später liegen die Ergebnisse in schriftlicher Form vor, der ausführliche Analysebericht im Dezember.
Mit weiteren Side-Events vertieft das Wuppertal Institut einzelne Themen und leitet daraus Impulse für die Verhandlungen ab. Dabei werden gezielt auch Bereiche angesprochen, die bisher bei den Klimaverhandlungen eher vernachlässigt wurden – gleichwohl sie für die Umsetzung der globalen Klimaschutzziele zentral sind. Dies gilt beispielsweise für die Diskussion der Möglichkeiten der Dekarbonisierung in der energieintensiven Industrie. „Dafür braucht es höhere Energieeffizienz und vor allem grundlegende Prozessänderungen“, sagt Prof. Dr. Stefan Lechtenböhmer, Leiter der Forschungsgruppe Zukünftige Energie- und Mobilitätsstrukturen am Wuppertal Institut. Diese im Kontext hochwettbewerblicher Märkte umzusetzen, ist eine große Herausforderung. Während des Side-Events „Role of innovation and policy to catalyse deep decarbonisation of energy intensive industries“ werden daher Innovationen diskutiert, um Energieeffizienz und weitergehende Prozessveränderungen in den Grundstoffindustrien stärker und nachhaltiger zu verbreiten. Das international besetzte Podium mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie Industrie- und Regierungsvertreterinnen und -vertretern will auf Möglichkeiten eingehen, dies enger mit der internationalen Klimapolitik zu verzahnen. Organisiert wird das Event vom Wuppertal Institut, der Universität Lund und dem englischen Carbon Trust.
Unter dem Titel „A European Perspective: Adequacy of the Paris Agreement towards Facilitating Global Decarbonisation“ findet ein weiteres Side-Event unter Mitwirkung von Forscherinnen und Forschern des Wuppertal Instituts statt. Bislang sind sektor-spezifische Governance-Ansätze nicht Gegenstand des UN-Klimaregimes. Bei dem Side-Event wird nun erörtert, wie internationale Governance durch Signalwirkung, Vereinbarung internationaler Regeln und Standards, Transparenzmechanismen, Bereitstellung von finanzieller und technischer Hilfe sowie Mechanismen zur Wissensvermittlung einen Beitrag zur Lösung sektoraler Transformationsherausforderungen leisten kann.
Weitere Informationen zu diesen und zahlreichen weiteren Side-Events mit Beteiligung des Wuppertal Instituts sowie zur COP23 finden Sie in den nachfolgenden Links.
Pressemitteilung des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie gGmbH
VisdP: Prof. Dr. Uwe Schneidewind, Präsident
Kontakt: Christin Hasken, Leitung Kommunikation
Tel.: +49 202 2492-187
Fax: +49 202 2492-108
Weitere Informationen:
Offizielle Side-Events und Ausstellungen auf der COP23
NRW Climate Lounge
Schlüsselkonzepte, wesentliche Herausforderungen und Governance-Funktionen des internationalen Klimaregimes
Internationale Klimapolitik