Als der diesjährige Gastgeber der G20, der argentinische Präsident Mauricio Macri, Anfang August an der Eröffnungssitzung des ‚Civil 20‘ (C20) teilnahm, sagte er: „Die Zivilgesellschaft spielt eine Schlüsselrolle bei Dialog- und Konsensbildungsprozessen. […] Wir alle müssen Protagonisten sein und an den Diskussionen der Zivilgesellschaft teilnehmen und sie nicht vernachlässigen.“ Nicht alle seiner G20-Kollegen teilen diese Ansicht. Der CIVICUS ‚State of Civil Society Report 2018‘ stuft zivile Handlungsspielräume in nur drei G20-Mitgliedsstaaten, die EU ausgenommen, als „offen“ ein. Der Raum für die Zivilgesellschaft in elf Ländern ist „verengt“ oder „beschränkt“. In drei Mitgliedsstaaten gilt er als „unterdrückt“ und in zwei als „geschlossen”. So auch in Saudi-Arabien, das in 2020 Gastgeber sein wird. Argentinien wird als „verengt” eingestuft. In diesem Jahr findet der G20-Gipfel am 30. November und 1. Dezember in Buenos Aires statt. Kann die G20 trotz des „shrinking space“ in einigen Mitgliedstaaten durch mehr Einbindung der Zivilgesellschaft integrativer gestaltet werden?

Legitimitätslücke der G20
In den vergangenen zehn Jahren ist die G20 zu einer der wichtigsten Institutionen für Global Governance geworden. Ihre Rolle hat sich von der Bewältigung der Finanzkrise von 2008 auf die Behandlung einer Agenda jenseits von Finanz- und Wirtschaftsfragen verlagert. Ihre Legitimität ist jedoch nicht im gleichen Maße gewachsen wie ihre Bedeutung. Obwohl die C20 nur eine von sieben Beteiligungsgruppen ist, bietet sie einen normativen Horizont für die Politik und kommt der Vertretung der zivilgesellschaftlichen Vielfalt bei der G20 am nächsten; mehr als 600 zivilgesellschaftliche Organisationen (CSOs) aus über 40 Ländern haben zum Abschlusskommuniqué beigetragen, das sie im August Präsident Macri vorgelegt haben.

Die Rolle der Präsidentschaft
Die Beteiligung der Zivilgesellschaft in der G20 zu verbessern, ist besonders schwierig. In ihrer jetzigen Form hängt die G20-Agenda stark vom politischen Willen der Präsidentschaft ab. Die Gastgeberregierung kann die Beteiligung der Zivilgesellschaft unterstützen oder einschränken und den Umfang und die Verfügbarkeit der dem C20-Bündnis bereitgestellten Mittel beeinflussen. Als China 2016 den Vorsitz bei der G20 führte, erlaubte seine Regierung bestimmten nationalen und internationalen CSOs nicht, an der C20 in Qingdao teilzunehmen. In diesem Jahr mobilisierte Argentinien nur geringe finanzielle Mittel für die C20, was es für CSOs aus Übersee schwierig machte, am Gipfel teilzunehmen.

Die G20 und C20 inklusiver gestalten
Begrenzte Mittel tragen dazu bei, dass es der C20 selbst an Legitimität mangelt. Vergleichsweise viele CSOs aus dem globalen Süden verfügen nicht über eigene Ressourcen, Zugang zu Geldern, qualifiziertes Personal und Insiderwissen, das für Lobbyarbeit auf globaler Ebene erforderlich ist. CSOs, die an der C20 teilnehmen, sind hauptsächlich serviceorientiert und streben konkrete Ergebnisse an, im Gegensatz zu widerstandsorientierten Gruppen, die eine starke Transformationsagenda verfolgen oder sogar die Legitimität der G20 völlig ablehnen. Diejenigen, die friedlich oder gewaltsam an den Orten der G20 protestieren, sitzen nicht unbedingt am Tisch der C20-Treffen. CSOs, die über die C20 politisch aktiv sind oder sogar Lobbyarbeit bei den Sherpas machen, haben in der Regel eine globale Reichweite. Solche CSOs sind überwiegend im globalen Norden beheimatet und haben oft selbst keine Legitimität oder Rechenschaftspflicht „nach unten“.

Obwohl unkritischer Enthusiasmus über den Einfluss der Zivilgesellschaft in der G20 fehl am Platz ist, bleibt die C20 der stärkste Kanal für die Zivilgesellschaft, um vielfältigere Perspektiven in den Politikprozess der G20 einzubringen. Um ihre eigene Glaubwürdigkeit als legitime und rechenschaftspflichtige Akteure zu erhöhen, müssen die C20 und andere Beteiligungsgruppen mehr Akteure aus dem Globalen Süden und Nicht-G20-Staaten einbeziehen, insbesondere aus einkommensschwachen Ländern und fragilen Staaten – und dies vorzugsweise dauerhaft. Die Think 20 (T20) Africa Standing Group, die Forscher aus ganz Afrika zusammenbringt, ist hierfür ein positives Beispiel. Darüber hinaus sollten einflussreiche NGOs darauf achten, die Zivilgesellschaft nicht zu monopolisieren, sondern mehr Graswurzel-Initiativen und marginalisierte Gemeinschaften in die C20 einzubeziehen. Dies würde sie auch weniger verwundbar für Angriffe von illiberalen Regierungen machen, die Zweifel an der Legitimität von Zivilgesellschaft schüren.

Bislang ist der Mangel an Finanzmitteln das größte Hindernis für die C20, diese Herausforderungen zu bewältigen. Daher müssen die Unterstützung und Finanzierung der C20 von der G20-Präsidentschaft entkoppelt werden. Dies würde das Risiko verringern, dass „shrinking spaces“ auf nationaler Ebene die Einbindung der Zivilgesellschaft in der G20 gefährden. Eine stärkere Zusammenarbeit zwischen den Beteiligungsgruppen könnte die finanzielle Herausforderung ebenfalls mildern. Darüber hinaus kann die Zusammenarbeit in problemspezifischen Arbeitsgruppen ein gutes Instrument sein, die Politikgestaltung der G20 zu beeinflussen; sie würde ein Problem von verschiedenen Fronten aus angehen und Lerneffekte fördern. Angesichts global kleiner werdender Handlungsspielräume für CSOs ist ein gemeinsames Vorgehen unterschiedlicher nichtstaatlicher Akteure notwendig, um die Stimme der Zivilgesellschaft zu stärken – inner- und außerhalb der G20.

Über die Autorin Verena Stauber.