Das Leben in der Vertreibung ist für zwei Drittel der weltweit fast 70 Millionen Flüchtlinge zum dauerhaften Zustand geworden. Das Friedens- und Konfliktforschungsinstitut BICC forscht seit Jahren zur Situation von Langzeitvertriebenen. Zum Abschluss eines Projekts, das das Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) förderte, führte das BICC am 28. und 29. November eine internationale Konferenz in Bonn durch.

In ihrer Eröffnungsrede würdigte Elke Löbel, Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), die Forschung des BICC. Das Institut habe nicht nur nachgewiesen, dass das Leben in ständiger Unsicherheit Abhängigkeit fördert, sondern auch, dass Vertreibung und Rückkehr keine linearen, sondern hoch komplexe Prozesse sind. Weiter hob sie hervor: „Um wirklich nachhaltige Lösungen zu bieten, müssen wir die Konfliktdynamik selbst und die Rolle, die Flüchtlinge, die intern Vertriebenen und Rückkehrer in diesem Zusammenhang spielen, betrachten.“ Eine langfristig angelegte Politik, die die konkreten Lebensumstände von Vertriebenen und aufnehmenden Gemeinden berücksichtigt und sich auf die lokale Integration konzentriert, seien Forschungsempfehlungen, die die deutsche Entwicklungszusammenarbeit als Schlüsselaspekte für künftige Maßnahmen betrachte. Mit Blick auf die Debatten zum UN-Migrationspakt forderte Elke Löbel die Wissenschaft auf, sich mit Fakten und Zahlen zum Thema Flucht und Vertreibung einzubringen: „Wir brauchen eine Sprache, die für die verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen verständlich ist.“ Sie begrüßte die Möglichkeit des Austausches zwischen Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft auf der Konferenz.

Die Konferenz diskutierte das Problem lang anhaltender Vertreibung aus einer Bottom-Up-Perspektive, die auf umfangreichen empirischen Untersuchungen beruht. Markus Rudolf, Leiter des Projekts am BICC, betont: „Wir folgen den Geflohenen – das ist unser Forschungsansatz, durch den man viel über die Beweggründe und Strategien von Geflohen erfährt.“ Auf der Konferenz wurden vor allem Fallstudien aus Ost- und Westafrika, Südamerika, dem Mittleren Osten und Südostasien präsentiert. Analysiert wurden Gemeinsamkeiten aber auch Unterschiede langanhaltender Vertreibung. Im Mittelpunkt standen dabei sowohl die lokale (Re-) Integration von Flüchtlingen als auch die Rolle von Flüchtlingen in Friedensprozessen, etwa in Syrien, Afghanistan oder Kolumbien. Ein kritisches Fazit der Konferenz war, dass – speziell bei Friedensverhandlungen – die Geflüchteten selten einbezogen werden.

Ebenfalls untersuchte die Konferenz die verschiedenen Bewältigungsstrategien von Langzeitvertriebenen. Thematisiert wurden das Problem der Abhängigkeit von Hilfe, aber auch Translokalität und ihre Auswirkungen auf Lebensbedingungen und legalen Status.
Als zukünftige Forschungsfragen benannte Conrad Schetter, Wissenschaftlicher Direktor des BICC: „Praxis wie Wissenschaft treibt gleichermaßen um, wie in humanitären Schutzsystemen die Eigenständigkeit von Geflohenen gestärkt werden kann. Denn Geflohene sind nicht nur schutzsuchend, sondern wollen ihr Schicksal auch selbst in die Hand nehmen.“

Zu den rund 70 Teilnehmenden der BICC-Konferenz gehörten sowohl Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler als auch Expertinnen und Experten aus nationalen und internationalen Nichtregierungsorganisationen, UN-Organisationen wie UNHCR und IOM sowie dem BMZ. Die Teilnehmenden kamen aus Afrika, Europa, Südostasien und den USA.