Die Brände im Amazonas-Gebiet gefährden nicht nur das Erdklima, sondern schüren auch weltweit diplomatische Spannungen. Vor noch nicht allzu langer Zeit galt Brasilien als aufstrebende Volkswirtschaft, die die globale Landschaft mitgestalten würde. Doch unter der Führung von Jair Bolsonaro hat sich das Image Brasiliens drastisch verändert. Wie andere rechtspopulistische Politiker beeinflusst er die Weltpolitik zum Negativen und untergräbt die Bemühungen zur Erreichung der globalen Entwicklungsziele.
Nativismus und Anti-Elitismus sind kennzeichnend für den Rechtspopulismus. Anders ausgedrückt geben Rechtspopulisten vor, ihren Nationalstaat vor mutmaßlichen äußeren und inneren kulturellen, wirtschaftlichen oder sicherheitsbezogenen Bedrohungen zu schützen. Sie beanspruchen dabei für sich, den „Willen des Volkes“ zu vertreten, bedienen sich dazu aber einer illiberalen Form der Demokratie, die diesen letztlich untergräbt, da sie institutionelle Kontrollmechanismen umgehen sowie Rechtsstaatlichkeit und Rechte von Minderheiten missachten. Multilateralismus lehnen sie ab und stellen die Interessen des „eigenen Volkes“ in den Vordergrund. Und so können wir Zeuge werden, wie sich Nationen von ihren globalen Verpflichtungen lossagen, wie es in Brasilien geschieht. Dies bedroht die gemeinsamen Anstrengungen zur Förderung und Erhaltung globaler Gemeinschaftsgüter.
Die Maßnahmen Bolsonaros tragen zur Zerstörung des Amazonas-Gebiets bei, das als Kohlenstoffsenke eine besondere Bedeutung für den Klimaschutz hat und zudem eine wichtige Rolle für die regionale und globale Klimaregulierung spielt. Bolsonaro strich verschiedene Maßnahmen gegen die Abholzung und ebnete damit der Umweltzerstörung den Weg. Er entließ den Direktor der für die Überwachung der Abholzung zuständigen Behörde, lockerte die staatlichen Kontrollen der Grundeigentümer und beschuldigte sogar NGOs, die Brände selbst gelegt zu haben. Ähnlich wie US-Präsident Donald Trump und andere populistische Politiker, legitimiert auch er eine antiökologische, antiakademische und nationalistische Rhetorik, die den Klimawandel leugnet, ökologische Mindeststandards untergräbt und sogar Gewalt gegenüber indigenen Völkern fördert.
Vor diesem Hintergrund haben die Reaktionen der führenden Politiker aus aller Welt auf die Brände im Amazonas-Gebiet der nationalistischen Rhetorik Bolsonaros im eigenen Land noch Auftrieb verliehen. So war Brasilien nicht eingeladen, an den Amazonas-Gesprächen beim G7-Treffen in Frankreich teilzunehmen. Dies erweckte einen neokolonialen Anschein und machte das Argument der brasilianischen Regierung, dass sie ihre Souveränität über die Amazonas-Region schützen müsse, glaubwürdig. Die Angst vor internationalem Neid auf die Reichtümer des Amazonas ist nicht neu. Dieses Mal aber nährt sie den Glauben an eine Verschwörung der reichen Länder, die versuchen würden, die wirtschaftliche Entwicklung Brasiliens zu behindern. Am Unabhängigkeitstag Brasiliens appellierte Bolsonaro an seine Anhänger, in den Farben der Flagge auf die Straße zu gehen, um „zu zeigen, dass der Amazonas den Brasilianern gehört“.
Wie wichtig es ist, den Amazonas-Regenwald zu erhalten ist aus Sicht der internationalen Gemeinschaft offensichtlich. Dies ist jedoch weder im Hinblick auf nationale Souveränität noch aus der Perspektive nachhaltiger Entwicklung eine einfache Aufgabe. Viele Brasilianer sind der Auffassung, dass die Ausbeutung des Amazonas-Gebiets für das Wirtschaftswachstum unerlässlich sei. Investitionen in die Region sind vor allem auch für die lokalen Gemeinschaften wichtig, die für ihr Überleben auf natürliche Ressourcen angewiesen sind. Trotzdem sollte eine Entwicklung auf nachhaltige und integrative Weise erfolgen, was nach wie vor eine Herausforderung darstellt.
Welchen Ausweg gibt es? Auf innenpolitischer Ebene sollte sich die Opposition um Themen wie Umweltschutz und nachhaltiger Entwicklung zusammenschließen. Die Gruppe der linken Parteien, von denen die Arbeiterpartei den größten Anteil der Sitze im Parlament hat, ist jedoch fragmentiert und hat keinen glaubwürdigen Plan. Druck sollte insbesondere von der Zivilgesellschaft und den Gerichten ausgehen, ähnlich wie bei den Protesten in mehreren brasilianischen Städten gegen die Kürzung der Staatsausgaben für Hochschulbildung im Mai 2019. Auf internationaler Ebene drohen Länder wie Österreich, Frankreich und Irland damit, das Handelsabkommen EU-Mercosur nicht zu ratifizieren. Dies könnte Bolsonaro zwingen, seine Umweltpolitik zu überdenken, da Wirtschaftswachstum zu seinen zentralen Versprechungen gehörte. Die Regierung muss die Abholzung kontrollieren, indem Gesetze zum Erhalt der Schutzgebiete auch durchgesetzt werden. Darüber hinaus sollte die internationale Zusammenarbeit lokale Entwicklungsinitiativen anerkennen und unterstützen, die Einkommensgenerierung und Umweltschutz miteinander verbinden. Ein Beispiel ist das Projekt des mit dem Äquatorpreis 2019 ausgezeichneten indigenen Vereins „Kisêdjê“, in dem zerstörte Waldflächen mit einheimischen Pequi-Bäumen wieder aufgeforstet werden. Für die lokalen Gemeinschaften stellen solche Maßnahmen zudem eine Alternative zur Beschäftigung im landwirtschaftlichen Großbetrieb dar.
Über die Autorin Dr. Aline Burni.
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