Das neue Coronavirus SARS-CoV-2 beschäftigt gerade alle. Die Politik berät Maßnahmen, Unternehmen sorgen sich um ihre Lieferketten, und überall, wo Infektionsfälle gemeldet werden, kaufen die Menschen die Supermärkte leer, als ob sie sich monatelang zuhause verschanzen müssten. Auch Abwassernetzbetreiber und Dienstleister machen sich Sorgen. Sie fragen sich berechtigterweise, ob infizierte Menschen das Virus ausscheiden und ob es sich dann im Abwasser wiederfindet. Kann man sich am Abwasser anstecken? Wie können das eigene Personal und deren Angehörige bestmöglich geschützt werden?

Dass sich Krankheitserreger über die menschlichen Ausscheidungen und über das Abwasser verbreiten, ist altbekannt. Deshalb gibt es ja schließlich die Kanalisation. Als prominente Beispiele seien Hepatitis­viren, Noroviren und Salmonellen genannt. Es besteht also grundsätzlich kein Grund zur Panik. Darin sind sich die Vertreter/-innen von Abwassernetzbetreibern, die jetzt im IKT an einer Sitzung des Arbeitskreises „Kanalbetrieb“ des Kommunalen Netzwerks Abwasser (KomNetABWASSER) teilnahmen, einig.

Kommunen beraten ad hoc im KomNetABWASSER

Das Kommunale Netzwerk wurde von Abwasserbetrieben gefragt, inwieweit man die Mitarbeiter im Kanal- und Kläranlagenbetrieb noch bedenkenlos für Reinigungsarbeiten in unterirdischen Becken, im Kanalnetz und auf Kläranlagen einsetzen kann. Dipl.-Ing. Marco Schlüter, Leiter des KomNetABWASSER, setzte das Thema unmittelbar auf TOP 1 der Arbeitskreissitzung und fasste anschließend die Diskussion der 30 Kanal­betriebs­manager/-innen zusammen: „Der Bundes­gesund­heits­minister hat für Deutschland den Ausbruch der Epidemie festgestellt. In dieser Situation ist es für die öffentliche Gesundheit besonders wichtig, dass die Kanalisation weiterhin zuverlässig funktioniert. Voraus­setzung um dies zu gewährleisten ist gesundes Betriebs­personal. Einig waren sich die Abwasser­betriebe, dass drei Punkte in der aktuellen Situation zu beachten sind: Erstens besondere Sorgfalt beim Arbeits­schutz, zweitens sollten unnötige Risiken aktuell vermieden werden und drittens sind natürlich die üblichen Hygiene-Empfehlungen konsequent zu beachten.“

Dipl.-Ing. Marco Schlüter rät dem Personal im Kanalbetrieb zu besonderer Sorgfalt und Vorsicht.

Risiken analysieren

Das Robert Koch-Institut (RKI), das in Deutschland für die Risiko­bewertung von Infektions­krankheiten zuständig ist, geht zwar aktuell weiter davon aus, dass die Gefahr für die deutsche Bevölkerung gering bis mäßig ist. Doch Kanalarbeiter sind einem potenziell infektiösen Medium ausgesetzt, wissen die anwesenden Fachleute. Ihr Risiko ist somit wahrscheinlich höher als das der Durchschnittsbevölkerung. Und sie kehren nach Feierabend zu ihren Familien zurück, treffen sich mit Freunden, plaudern mit Kollegen auf dem Flur. Und die wiederum…

Anlagen müssen laufen!

Allerdings können nicht einfach alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Kanalkontakt auf unbestimmte Zeit nach Hause geschickt werden. Prof. Dr.-Ing. Bert Bosseler, Wissenschaftlicher Leiter des IKT, gibt zu bedenken, dass die Abwasserbetriebe in der Verantwortung sind, die Infrastrukturleistung der Abwasserbeseitigung sicherzustellen. Es gehe zwar um die Gesundheit der Mitarbeiter/-innen und deren Angehörigen, aber eben auch um den Schutz der Bevölkerung. „Die Anlagen müssen laufen, sonst bekommen wir noch ganz andere hygienische Probleme“, sagt Bosseler.

Prof. Bert Bosseler: „Die Anlagen müssen laufen, sonst kriegen wir noch ganz andere hygienische Probleme.“

Schutzausrüstung 100 Prozent nach Lehrbuch

Einhelliger Tenor der Anwesenden: Keine Panik! Wichtig sei es, die Mitarbeiter/-innen zu sensibilisieren und dazu anzuhalten auf ihr eigenes Verhalten zu achten, das Wissen um Arbeitsschutz aufzufrischen, nicht unmittelbar notwendige Arbeiten auszusetzen und – ganz wichtig – die Schutzmaßnahmen 100 Prozent nach Lehrbuch durchzuführen.

„Das heißt: Immer die vorgeschriebene Schutzkleidung tragen, nie im Arbeitsbereich essen, trinken oder rauchen, häufiges Händewaschen und Desinfizieren, die einschlägigen Regeln wie TRBA 220 und DGUV 103-003 genau beachten“, zählt Marcel Goerke, M.Sc., Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Experte für Arbeitssicherheit im IKT, die angeratenen Maßnahmen und Verhaltensregeln auf.

Kanalreinigung einstellen?

Die Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse (BG ETEM) äußerte sich auf Anfrage: Für Arbeiten, bei denen Aerosole entstehen, könne die Gefährdungsbeurteilung der konkreten Tätigkeit ergeben, dass man die Arbeit besser verschiebt, wenn sie nicht zwingend nötig ist. Das würde bedeuten, die Kanalreinigung zunächst einzustellen. Darin sahen die anwesenden Vertreter/-innen der Abwasserbetriebe für eine gewisse Zeit kein größeres Problem. Aber die Pumpen- und Bauwerksreinigung könne nicht ausgesetzt werden, hieß es von Seiten der Netzbetreiber. Und hier könne es zu Kontakt mit kontaminiertem Abwasser kommen. Umso wichtiger sei es, sich ganz konsequent an die Vorschriften zum Arbeitsschutz zu halten.

Marcel Goerke, M.Sc.: „Immer die vorgeschriebene Schutzausrüstung tragen.“

Offen blieb die Frage, was passiert, wenn sich die Schutzmaßnahmen aufgrund von Lieferengpässen nicht mehr durchführen lassen. Schließlich kommen die meisten Produkte aus China, und niemand weiß, wie sich die Versorgungslage mit wichtigen Produkten in den nächsten Wochen entwickelt. Schutzanzüge der Schutzklasse 3 seien noch zu bekommen, hieß es aus den Reihen der Teilnehmer/-innen, aber bei Atemmasken der Klasse FFP3 müsse man schon jetzt mit längeren Lieferzeiten rechnen.

3 Grundsätze

Auf drei Grundsätze konnten sich die Teilnehmer/-innen einigen:

  • Sorgfalt beim Arbeitsschutz!
  • Unnötige Risiken vermeiden!
  • Übliche Hygiene-Empfehlungen konsequent beachten!

Ansonsten: Keine Panik! Aber Vorsicht.

Ansprechpartner

Dipl.-Ing. Marco Schlüter
Tel.: 0209 17806-31
E-Mail: [email protected]

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