Ob US-Präsident Donald Trump, der zunächst die Gefahr des Sars-CoV-2-Virus für die USA kleinredete oder Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro, der das Virus als mediale Täuschung bezeichnete und zwischenzeitlich die Veröffentlichung von Infektionszahlen unterband – rechtspopulistische Regierungen zeichnen sich in der Corona-Pandemie derzeit nicht durch effektives Krisenmanagement aus. Dass rechtspopulistische Entscheidungsträger*innen besondere Probleme damit haben, die Corona-Krise effektiv zu managen, liegt an der Unvereinbarkeit von effektivem Krisenmanagement mit dem Kern populistischer Weltanschauung.
Für Zeiten disruptiver Krisen, die sämtliche Bereiche des gesellschaftlichen Zusammenlebens betreffen, benennt die Forschung zu Krisenmanagement sechs zentrale Erwartungen der Öffentlichkeit gegenüber politischen Entscheidungsträger*innen. Sie sollen (1) die öffentliche Sicherheit bei allen Entscheidungen priorisieren, (2) Vorkehrungen für die schlimmsten anzunehmenden Szenarien treffen, (3) auf frühe Warnungen hören, um einer möglichen Verschlimmerung der Krise vorzubeugen, (4) politische Verantwortung übernehmen und klare Richtlinien vorgeben, (5) Empathie gegenüber Opfern der Krise zeigen und (6) aus der Krise lernen. Rechtspopulistische Regierungen haben Schwierigkeiten damit, diesen Erwartungen zu entsprechen.
Die Gründe dafür sind vielseitig: Erstens steht Anti-Elitismus im Kern populistischer Weltanschauung. Eliten wird vorgeworfen, korrupt zu sein und den Willen des „Volkes“ zu vernachlässigen. Expert*innen und Wissenschaftler*innen sind in den Augen von Rechtspopulisten als Teil der Elite für das im-Stich-lassen der Mehrheitsgesellschaft mitverantwortlich. Wissenschaftlichen Erkenntnissen wird daher grundlegend misstraut, insbesondere, wenn daraus politische Empfehlungen abgeleitet werden. Am deutlichsten wurde dies bislang bei der Leugnung der Existenz des menschengemachten Klimawandels. In der Corona Pandemie sind wissenschaftliche Datenanalysen, Prognosen und Handlungsempfehlungen von zentraler Bedeutung, um Warnungen frühzeitig zu erkennen und die richtigen Maßnahmen zu ergreifen. Rechtspopulistische Entscheidungsträger*innen befinden sich daher nun in der schwierigen Situation, Expert*innen, die sie normalerweise als Feindbild stilisieren, zuhören zu müssen.
Zweitens erfordert vorausschauendes Krisenmanagement die Fähigkeit von politischen Führungspersönlichkeiten, sich ihre eigene Verwundbarkeit eingestehen zu können. Für Rechtspopulist*innen, die für sich beanspruchen den personifizierten Volkswillen zu verkörpern, kratzt eine Pandemie mit verheerenden wirtschaftlichen Folgen am Kern ihres Selbstverständnisses. Sie sind als Retter des kleinen Mannes angetreten; müssen nun jedoch Entscheidungen treffen, bei denen kurzfristig nur eines gerettet werden kann – die öffentliche Gesundheit oder das Wirtschaftswachstum.
Drittens benutzen Rechtspopulist*innen polarisierende Rhetorik als strategisches Mittel und begründen ihre Aussagen selten argumentativ. Polarisierung führt zu einem Rückgang des Vertrauens zwischen verschiedenen Teilen der Bevölkerung und fördert die Verbreitung von Falschnachrichten. Forscher haben untersucht, wie eine affektbetonte Identifikation mit politischen Lagern die Informationsverarbeitung im Gehirn beeinflusst und die Wahrnehmung verändern kann. Andere Studien ergaben, dass der Zugang zu Breitband-Internet die Polarisierung erhöht, da Bürger*innen zunehmend ihre Informationen über sich selbst bestärkende „Echo-Kammern“ in sozialen Medien beziehen. Polarisierung kann dazu führen, dass sich in der Gesellschaft Lager bilden, für die parteiliche Loyalität Vorrang vor Wahrheitsgehalt hat. Dies hat Auswirkungen auf die Erfolgschancen der Corona-Eindämmung. Wenn populistische Regierungsführer*innen die Pandemie als Komplott der Opposition oder äußerer Mächte beschreiben oder die Bedeutung der Pandemie verharmlosen, sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass sich alle Bevölkerungsteile in Verhaltensänderungen wie Social Distancing oder dem Tragen von Masken üben. Daher ist polarisierende Rhetorik in der Corona-Krise schwer mit politisch verantwortlichem Handeln vereinbar.
In Ländern wie den USA oder Brasilien sind die Zahlen der Corona-Infizierten und der Corona-Todesfälle in den vergangenen Wochen und Monaten stark gestiegen. Forschung zu den Strategien und Ideologien rechtspopulistischer Politiker*innen einerseits und den Bedingungen für effektives Krisenmanagement andererseits lässt vermuten, dass effektives Krisenmanagement inkompatibel ist mit rechtspopulistischer Regierungsführung. Welchen Einfluss rechtspopulistische Regierungen tatsächlich auf die Eindämmung der Corona-Pandemie haben und welche Rolle institutionelle Strukturen und unterfinanzierte Gesundheitssysteme spielen, muss erst noch untersucht werden. Ebenso sind die politischen Konsequenzen der Pandemie für rechtspopulistische Politiker*innen schwer vorhersehbar. Fest steht: Die Corona-Krise bedeutet für Regierungen weltweit eine immense Belastungsprobe und verändert die Parameter anhand derer erfolgreiches Regieren gemessen wird. Die Widersprüchlichkeiten rechtspopulistischer Regierungsführung treten in diesen Zeiten deutlich zutage.
Maximilian Högl ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungsprogramm Inter- und transnationale Zusammenarbeit am Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE).
Christine Hackenesch ist Programmleiterin des Forschungsprogramms Inter- und transnationale Zusammenarbeit am Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE).
Daniel Stockemer ist Professor an der University of Ottawa (Kanada) und derzeit Gastwissenschaftler am DIE. Seine Forschungsschwerpunkte umfassen politische Partizipation und Repräsentation sowie Rechtsextremismus in Europa.
Über die AutorInnen Dr. Christine Hackenesch und Maximilian Högl.