Die visionäre Idee, Gütertransporte von den überlasteten Autobahnen im Ruhrgebiet auf die Kanäle in Nordrhein-Westfalen mit kleinen hybridelektrischen Schiffen zu verlagern, nimmt weiter Fahrt auf. Gemeinsam mit dem DST – Entwicklungszentrum für Schiffstechnik und Transportsysteme aus Duisburg präsentierte das RIF Institut für Forschung und Transfer aus Dortmund als Zwischenstand nach gut zwei Dritteln der Projektlaufzeit eine Simulationsplattform zur Untersuchung der technisch denkbaren Verkehrsverlagerungen. Vertreter des Projektbeirats, dem Reedereien, Spediteure, Verlader, Hafenbetreiber, Schifffahrtsbehörden, Automatisierungstechniker und Logistikberater angehören, sowie Vertreter des Projektträgers konnten bei einem Meilensteintreffen des Förderprojekts „DeConTrans – Interurbane Logistik für NRW“ nonline, aber trotzdem live auf Softwareoberflächen von RIF nverschiedene Fahrpläne mit realistischen Frachtgutmengen auf nvorhandenen Kanälen durchspielen. Grundlegend dabei: Die Daten selbstentladender, elektrisch angetriebener, energieeffizienter Schiffe, deren digitale Prototypen inzwischen umfangreich im DST-Schiffslabor getestet worden sind. Die Erkenntnisgewinne beeindruckten alle Beteiligten. Für die abschließende Beurteilung, welche Investitionen wirtschaftlich und welche Transporte am Ende wettbewerbsfähig sein können, stehen weitere Konkretisierungsarbeiten an.

 

Projektleiter Cyril Alias, Leiter des Fachbereichs Logistik und Verkehr im DST, betonte erneut, dass das neue Logistikkonzept sich in bestehende Transportkonzepte einbinden lassen müsste. Der neue Service ist als Zubringerdienst aus dem westdeutschen Kanalnetz für die großen Rheinhäfen, etwa Duisburg und Wesel, gedacht. Von dort aus werden die Güter dann in Richtung Seehäfen in Belgien und den Niederlanden verfrachtet. Damit könnten bestehende Akteure den neuen Service als Ergänzung ihres bisherigen Portfolios übernehmen wollen – wie der aus gewerblichen Akteuren zusammengesetzte Projektbeirat bestätigte. Alias sieht den Wasserstraßentransport als Abschnitt eines globalen Staffellaufs und legt Wert auf eine effiziente Gestaltung des Konzepts, unter Berücksichtigung von Leistungsansprüchen hinsichtlich Kosten, Pünktlichkeit und Emissionen. Der Verlagerungseffekt wäre immens, wie Alias darstellte: Eine deutlich bessere Nutzung der Wasserstraßen und damit eine spürbare Entlastung der Straßen und Autobahnen, dazu weniger Lärm, weniger Staus, besser für die Umwelt. Insgesamt 105 Umschlagstellen, so Alias, eignen sich zwischen Rhein und Weser für einen Containerumschlag, darunter eine Reihe stillgelegter Kohlehäfen.

Neben den Umschlagstellen sind die kleinen Schiffe für das Konzept von zentraler Bedeutung. Jens Ley (DST) präsentierte geeignete Modelle, die sowohl rechnerisch untersucht als auch im Versuchstank des DST getestet wurden. Der Versuchstank war dafür eigens mit der Geometrie der Kanäle, das heißt mit lotrechten und teilweise diagonal abfallenden Seitenwänden, ausgestattet worden, um die Verhältnisse im Kanalnetz maßstabsgetreu nachzubilden. Die untersuchten Schifftypen weisen eine Länge von 50 bis 95 Metern sowie eine Breite von 6,80 bis 9,50 Metern sowie bis zu 1,12 Meter Tiefgang auf. Neben den Containern führen die Schiffe auch Batterien zur Energieversorgung mit, um einen hybridelektrischen Betrieb zu ermöglichen. Aufgrund der niedrigen Brückenhöhen im Kanalnetz werden die Schiffe für den einlagigen Containertransport geplant. Jedes Schiff verfügt zudem über einen mobilen Bordkran, so dass Schiffsführerdie Schiffe auch an Umschlagstellen ohne bestehende Containerladeinfrastruktur be- und entladen können. Insbesondere für Umschlagstellen, an denen kein großes Containeraufkommen entsteht, bietet diese Alternative eine Zugangsmöglichkeit zum geplanten Zubringerdienst, so Andreas Stolte, vom Hafenverbund DeltaPort GmbH & Co.KG, Wesel.

Damit der neue Dienst in bestehende Transportkonzepte integrierbar ist, müssen Informationsflüsse zwischen den Verkehrsträgern harmonisiert werden. Bereits gebräuchliche IT-Anwendungen aus der Logistikbranche ermöglichen eine Einbettung des Konzepts in globale Lieferketten. Dies wurde am Beispiel eines Transports von Hagen nach China herausgestellt. Im Virtuellen Testbed, das eine Landkarte des betrachteten Gebiets zeigte, wurden zudem Simulationen denkbarer Vorgänge durchgeführt. Sven Severin, wissenschaftlicher Mitarbeiter am RIF, führte den interessierten Teilnehmern die Funktionalitäten des neu entwickelten Simulationswerkzeugs vor. Anhand von Prognosen des Transportaufkommens auf der Basis realer Daten wurden exemplarisch Routen bestimmt, Schiffe zugeordnet, Transporte durchgeführt und Auslastungsgrade, die für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit der Transportdienstleistung relevant sind, ermittelt. So konnten verschiedene Szenarien mit oder ohne reaktivierte Häfen auf real existierenden Kanalstrecken durchgespielt werden. Für noch stärkere Realitätsnähe sollen nun weitere Daten, beispielsweise „echte“ Wartezeiten an Schleusen, Kapazitätsgrenzen und Staugefahren, erhoben und integriert werden. Projektleiter Alias wies zudem auf die Vielschichtigkeit der Untersuchung hin: So können unterschiedliche Routen, Besatzungsstärken, Fahrpläne und das Thema „Autonomes Fahren“ ebenfalls unter wirtschaftlichen Aspekten untersucht werden. Beiratsmitglied Jens Diepenbruck von der mercatronics GmbH verwies auf Untersuchungen und Testfahrten in Belgien, die „weitaus weniger gut für so etwas geeignet sind als das schöne gerade Netz in Deutschland“. Auch wenn der Anpassungsbedarf rechtlicher Vorgaben für die Schifffahrt, etwa die Zulassung des Ein-Personen- Betriebs, in Deutschland sicherlich ein Ergebnis des Projektes DeConTrans sein wird: Die Teilnehmer waren sich weitgehend einig, dass autonome Schifffahrt auf absehbare Zeit allenfalls auf verkehrsberuhigten Kanalabschnitten möglich sein dürfte.

Entsprechende Forschungsarbeiten laufen derzeit im DST. Bis Ende 2021 arbeiten mehr als ein Dutzend Mitarbeiter in den beiden Instituten der Johannes-Rau-Forschungsgemeinschaft nun daran, die komplette Logistikkette von der Umladung im Hafen auf die kleinen Schiffe bis zur Verladung für die letzte Meile an regionalen Umschlagstellen in einer virtuellen Plattform abzubilden, so dass unterschiedliche Logistikketten, variable Schiffstypen und verschieden konzipierte Umschlagplätze verglichen werden können. Die Ergebnisse des Forschungsprojekts werden dann Eingang in betriebswirtschaftliche Überlegungen der handelnden Akteure im Gewerbe finden, etwa bei der Ermittlung von Finanz- und Förderbedarfen für Investitionen in Kanal- und Hafeninfrastruktur sowie in die Schiffsflotte.

Weitere Informationen auf der Internetseite: https://www.dstorg.de/decontrans/.

Für Rückfragen der Redaktion:
RIF Institut für Forschung und Transfer, Geschäftsführung, Dr. Svenja Rebsch,
Michael Saal,Telefon: 0231.9700 101,
DST Entwicklungszentrum für Schiffstechnik und Transportsysteme e.V.,

Ansprechpartner: Cyril Alias, Projektleiter, Tel.: 0203 / 99 369 62, E-Mail:
[email protected]

 

Das Vorhaben DeConTrans wird aus Mitteln des Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) sowie aus Mitteln des Landes NRW unter dem Förderkennzeichen EFRE-0801222 gefördert und läuft über insgesamt drei Jahre bis zum 30. September 2021.

Verbundpartner:
DST- Entwicklungszentrum für Schiffstechnik und Transportsysteme e.V. Duisburg
RIF Institut für Forschung und Transfer e.V.,

DortmundAssoziierte Partner:
Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt (GDWS)
Konecranes Terex MHPS GmbH

Hintergrundinformationen:

DST Entwicklungszentrum für Schiffstechnik und Transportsysteme e.V.

Das Entwicklungszentrum für Schiffstechnik und Transportsysteme e.V. (DST) verfügt über eine mehr als 60-jährige Erfahrung in der Entwicklung und Untersuchung von Binnen- und Küstenschiffen. Ebenso intensiv werden verkehrliche und logistische Fragestellungen bearbeitet, sowohl aus technischer als auch aus ökonomischer Sicht. Fragen der Schiffsentwicklung und der Hydrodynamik gehören von Beginn an zu den Kernkompetenzen des DST. In den vergangenen Jahren haben darüber hinaus Fragen zum Themenfeld Emissionsreduktion kontinuierlich an Bedeutung gewonnen. Das DST hat dieses Thema aufgegriffen und entwickelt z.B. im laufenden Projekt „E-Binnenschiff“ hierfür geeignete Ansätze. Auch die Simulation als Ansatz zur mathematischen Modellierung unterschiedlicher komplexer nVorgänge hat in jüngster Zeit an Bedeutung zugenommen. Mit dem Schiffsführungssimulator SANDRA verfügt das DST sowohl über ein innovatives Instrument als auch über entsprechende Expertise bei der Bearbeitung verschiedenster Simulationen. Das neueste Betätigungsfeld stellt das automatisierte Fahren auf der Wasserstraße dar. Seit Neuestem betreibt das DST zudem das Versuchszentrum für Autonome Binnenschifffahrt (VeLABi) und das Versuchszentrum für innovative Hafen- und Umschlagtechnologien (HaFoLa).

Die enge Kooperation mit Industrie und Verwaltung gewährleistet einen zügigen Transfer der Ergebnisse der anwendungsorientierten Forschungs- und Entwicklungsarbeiten in die Praxis. Seit 1989 ist das DST An-Institut der Universität Duisburg-Essen und seit 2014 Mitglied der Johannes-Rau- Forschungsgemeinschaft.
Weitere Informationen: www.dst-org.de
Postanschrift: DST – Entwicklungszentrum für Schiffstechnik und
Transportsysteme e.V. , Oststraße 77, D-47057 Duisburg

RIF Institut für Forschung und Transfer e.V.

Das RIF Institut für Forschung und Transfer, Dortmund, wurde 1990 als Zusammenschluss von Hochschullehrern aus verschiedenen technologieorientierten Universitätsbereichen als „Dortmunder Initiative zur rechnerintegrierten Fertigung (RIF e.V.)“ zur Stimulierung des Forschungstransfers gegründet. Als eines der Johannes-Rau-Forschungsinstitute des Landes Nordrhein-Westfalen entwickelt RIF Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung in Projekten interdisziplinär und anwendungsorientiert so weiter, dass sie von Unternehmen in der Praxis genutzt werden können. RIF setzt im Bereich Robotertechnik neueste mForschungserkenntnisse in der Simulation und Virtual Reality Technologie unmittelbar in Produkte um. Erkenntnisse aus der Mikrostrukturtechnik, Werkstofftechnologie und -prüfung unterstützen die Verbesserung und nachhaltige mGestaltung von Produkten. Innovative Werkzeuge aus dem Qualitätsmanagement, der Arbeitswissenschaft und der Logistik sowie automatisierungstechnische mLösungen helfen Unternehmen in den verschiedensten Branchen, ihre mProduktivität und die Qualität von Produkten zu steigern bzw. Herstellungskosten zu senken. Der ganzheitliche Ansatz des Instituts wird durch Projekte im industriellen Marketing, durch innovative Controlling Konzepte und moderne Methoden der Personalentwicklung sowie des Veränderungsmanagements mabgerundet. Über die Konrad Zuse-Forschungsgemeinschaft ist RIF zudem in ein bundesweites, branchenübergreifendes Netzwerk von über 60 deutschen außeruniversitären, gemeinnützigen Forschungseinrichtungen eingebunden. RIF beschäftigt im F+E Gebäude an der Joseph-von-Fraunhofer-Straße 20 im Technologiepark Dortmund rund 130 Mitarbeiter.

Vorstand: Prof. Dr. Hartmut
Holzmüller, Prof. Dr.-Ing. Jürgen Roßmann, Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Tillmann,
Geschäftsführung: Dr. Svenja Rebsch und Dipl.-Inf. Michael Saal.
Weitere Informationen: www.rif-ev.de
Postanschrift: RIF e.V., Joseph-von-Fraunhofer Str. 20, D-44227 Dortmund