Fünf Jahre nach Inkrafttreten des Pariser Klimaabkommens und einer Corona-bedingten Zwangspause im letzten Jahr tritt ab 31. Oktober im schottischen Glasgow die 26. Vertragsstaatenkonferenz der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen („COP26“) zusammen. Endlich! Ihre wichtigste Aufgabe wird es sein, die Umsetzung des Pariser Abkommens voranzutreiben, indem sie die letzten noch offenen Verhandlungsfragen bezüglich der Umsetzungsregeln klärt.

Die Corona-Pandemie hat viele internationale Verhandlungen verzögert. Allerdings gab es schon vor der Pandemie keine Zeit zu verlieren. Die notdürftigen Versuche, den multilateralen Klimaprozess mittels virtueller Foren und digitaler Formate weiterzuführen oder wenigstens auf Kurs zu halten, haben gezeigt: Die alljährliche COP ist vielleicht doch nicht so verzichtbar wie es uns diejenigen glauben machen wollen, die dem Multilateralismus generell skeptisch bis offen ablehnend gegenüberstehen.

Die Prozesse der internationalen Klimapolitik sind unbestritten aufwändig und schwerfällig. Zudem ist ihre institutionelle Komplexität kaum noch zu durchschauen. Gerade deswegen sind regelmäßige multilaterale Verhandlungen notwendig, denn sie schaffen die politischen und institutionellen Voraussetzungen für eine lösungsorientierte internationale Kooperation. Diese braucht es nirgends dringender als angesichts der globalen Klimakrise – nicht zuletzt auch wegen der durchschlagenden Bedeutung der internationalen Klimapolitik für globale Gerechtigkeit und nachhaltige Entwicklung. Wenn nun in Glasgow die 197 Vertragsstaaten der Klimarahmenkonvention endlich wieder zusammenkommen, haben sie die Chance und die Verantwortung, genau dies unter Beweis zu stellen.

Die in Glasgow auf der Agenda stehenden Themen betreffen maßgebliche Rahmenbedingungen für die internationale Klimakooperation. Dazu zählt vor allem die überfällige Klärung der Umsetzungsregeln zu Artikel 6 des Pariser Abkommens, der die sogenannten „Marktmechanismen“ betrifft. Auch die weitere Entwicklung der internationalen Klimafinanzierung wird verhandelt, einschließlich einer sinnvollen Ausbalancierung zwischen Mitteln, die der Emissionsvermeidung dienen, und solchen, die eine Anpassung an die weltweiten Folgen des Klimawandels zum Ziel haben.

Ein Konsens zur Regelung der Marktmechanismen, wie etwa des Emissionshandels, war bisher daran gescheitert, dass einzelne Staaten wie insbesondere Brasilien „flexible“ Regeln wünschen. Diese würden aber das eigentliche Ziel untergraben, Emissionen dauerhaft zu reduzieren, in dem sie etwa Doppelzählungen begünstigen. Dem steht eine große Mehrheit von Staaten gegenüber, die auf „robuste“ Regeln pocht, um derartige Schlupflöcher auszuschließen. Deutschland und andere Verfechter robuster Regeln erhielten bei der COP25 2019 in Madrid viel Anerkennung für ihre kompromisslose Haltung, auch seitens der Zivilgesellschaft. Da aber den Marktmechanismen grundsätzlich eine große Hebelwirkung für globalen Emissionsminderungen zugeschrieben wird, bleibt eine für alle Vertragsstaaten verbindliche Regelung weiterhin erstrebenswert. Die Erwartungen an die britische COP-Präsidentschaft, in Glasgow eine Lösung herbeizuführen, sind hoch.

Ein Durchbruch bei den Marktmechanismen würde es zudem ermöglichen, erhebliche zusätzliche Finanzmittel zu mobilisieren. Dies macht Artikel 6 auch im Zusammenhang der Verhandlungen über die langfristige Finanzierung internationaler Klimakooperation bedeutsam. Bei diesem Verhandlungsstrang geht es zuvorderst um das bislang unerfüllte Versprechen der Industrieländer, ab 2020 jährlich 100 Milliarden US-Dollar für klimapolitische Maßnahmen in Entwicklungsländern bereitzustellen. Zugleich gilt es, den Erwartungen der Entwicklungsländer bezüglich eines weiteren Zuwachses internationaler Klimafinanzierung für die Zeit ab 2025 zu begegnen und auch zusätzliche Mittel für den Umgang mit klimabedingten Verlusten und Schäden zu mobilisieren.

Als großzügiger Bereitsteller multilateraler Klimafinanzierung befindet sich Deutschland hier im internationalen Vergleich in einer guten Verhandlungsposition. Zugleich muss sich auch Deutschland für den weiter steigenden Bedarf an Klimafinanzierung rüsten. Es ist daher äußert unglücklich, dass in dieser kritischen Phase der internationalen Klimaverhandlungen die Bundesregierung nur mehr geschäftsführend im Amt und die deutsche Politik angesichts laufender Koalitionsverhandlungen vor allem mit sich selbst beschäftigt ist.

Die Signale, die von Glasgow ausgehen werden, dürfen in Berlin nicht übersehen werden. Wie auch immer eine Koalitionsvereinbarung am Ende aussehen mag, sollte allen Beteiligten klar sein, dass sich, erstens, marktwirtschaftliche und ordnungspolitische Instrumente bei der Gestaltung ambitionierter Klimapolitik nicht gegenseitig ausschließen müssen. Und zweitens, dass nationale Klimapolitik ebenso wie die unabdingbare internationale Klimakooperation erhebliche Investitionen erfordern und einen dauerhaften Aufwuchs entsprechender Finanzmittel benötigen. Deutschlands Partnerländern wird es egal sein, wie die zukünftigen Regierungsparteien dies im finanzpolitischen Detail leisten wollen. Dem Klima erst recht.