Das Energiewirtschaftliche Institut an der Universität zu Köln (EWI) ist seit Januar 2022 das nun sechzehnte Mitgliedsinstitut der Johannes-Rau-Forschungsgemeinschaft. Hier forschen und beraten ExpertInnen zu Energiemärkten und der Energiewende. Im JRF-Interview gibt Managerin Dr. Johanna Bocklet Einblick in aktuelle Projekte und erläutert, welche Rolle den Haushalten in der Wärmewende zukommt.

Dr. Johanna Bocklet, Managerin am JRF-Institut EWI — Energiewirtschaftliches Institut

Seit 2022 sind Sie Managerin am EWI, das EWI kennen Sie aber schon länger. Was war Ihr erster Berührungspunkt mit dem Energiewirtschaftlichen Institut?

Bocklet: Ich habe 2016 an der Universität zu Köln mein Promotionsstudium in Energiewirtschaft begonnen. Hier habe ich bei Prof. Bettzüge, dem Direktor des EWI, als wissenschaftliche Mitarbeiterin gearbeitet. Aufgrund meines Dissertationsthemas, dem europäischen Emissionshandel, hatte ich einige inhaltliche Überschneidungen mit den Doktoranden des EWI. Nach meiner Promotion bin ich dann ans EWI gewechselt.

Welche übergeordneten Aufgaben gehören als Managerin in Ihren Alltag?

Bocklet: Mein Arbeitsalltag ist sehr vielfältig. Zum einen gehört hierzu die Projektleitung und Organisation. Ich erstelle Angebote, plane den Einsatz des Teams und kalkuliere Projekte im Vorfeld. Während der Projektlaufzeit koordiniere ich das Projektteam, manage das Projekt und sorge für die Qualität der Analyse. Zum Abschluss zählt auch die Präsentation der Ergebnisse unserer Arbeiten zu meinem Aufgabenfeld. Als Teamleitung unterstütze ich mein Team darin, sich weiterzuentwickeln – gleichzeitig lerne ich viel vom Team.
Außerdem baue ich für das EWI die so genannte EWI-Academy auf. Diese möchten wir in Zukunft stärker vorantreiben. In der EWI-Academy bündeln wir neben unserer Projektarbeit ein Workshop- und Seminarprogramm, in dem wir unser Wissen gezielt weitergeben. Die Workshops und Seminare richten sich beispielsweise an Fachleute in Ministerien und Energieunternehmen oder QuereinsteigerInnen in die Energiewirtschaft.

Können Sie ein aktuelles Beispiel für Ihre Projekte nennen?

Bocklet: Unsere Projekte sind inhaltlich sehr vielfältig, wir forschen zu Strommärkten, aber auch zu Wasserstoff und Gas. Seit einigen Jahren beschäftigen wir uns auch mit der Wärmewende, bei der es darum geht, die CO2-Emmissionen im Gebäudesektor zu senken. In diesem Bereich leite ich einige Projekte. Derzeit schauen wir uns zum Beispiel das Ziel der Bundesregierung genauer an, dass ab dem Jahr 2024 jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent auf Basis erneuerbarer Energien betrieben werden soll. Wir untersuchen, was das bedeutet: Zum einen für die CO2-Emmissionen im Gebäudesektor, zum anderen auch im Zusammenspiel mit dem Stromsystem. Wir betrachten die unterschiedlichen Sektoren nicht losgelöst voneinander, sondern in Kombination. Denn wenn beispielsweise ein Haus nur an das Wärmenetz angeschlossen wird, ohne das Wärmenetz zu dekarbonisieren, werden die Emissionen vom Gebäudesektor einfach nur in den Energiesektor verschoben. Wir wollen Emissionen jedoch nicht verschieben, sondern insgesamt reduzieren.

In einem aktuellen Policy Brief haben Sie gemeinsam mit Ihrem Team gezeigt, dass eine CO2-Bepreisung allein nicht ausreicht, um CO2-Emissionen im Gebäudesektor gemäß den Klimazielen zu senken. Wo ist der Haken an der Sache?

Bocklet: Sie ist zumindest nur ein Teil der Lösung. Generell ist eine CO2-Bepreisung, also ein höherer Preis, ein Mittel, um die Nachfrage zu senken. Sobald der Brennstoff beispielsweise durch die CO2-Bepreisung bzw. aktuell durch die höheren Gaspreise teurer wird, sehen wir am Markt einen Rückgang der Nachfrage. Allerdings, und das ist nun sehr spezifisch für den Wärmesektor, ist hier der Spielraum der Haushalte, insbesondere von denen, die zur Miete wohnen, kurzfristig gering. Eine gewisse Temperatur sollte in Wohngebäuden erhalten bleiben. Da ist der Spielraum in anderen Sektoren wie dem Energiesektor deutlich größer, wo basierend auf dem aktuellen CO2-Preis entschieden wird, ob heute ein Kohle- oder Gaskraftwerk läuft.

Wo sehen Sie stattdessen einen vielversprechenderen Ansatz, die Haushalte energetisch zu optimieren und dabei auch soziale Aspekte mit einzubeziehen?

Bocklet: Hier sind sowohl regulatorische Rahmenbedingungen als auch noch mehr Transparenz und Aufklärung gefordert. Wir haben im Wohnsektor das Problem, dass den Menschen, die heizen und damit die Emissionen verursachen, das Gebäude häufig nicht selbst gehört. Sprich, die MieterInnen sind also nicht diejenigen, die in eine Sanierung oder bessere Heizung investieren. Es braucht also Anreize für HauseigentümerInnen, diese Investitionen zu tätigen. Zudem ist es wichtig, Aspekte der Verhaltensökonomik zu nutzen und Transparenz herzustellen. Insbesondere dazu, was es bedeutet, ein Gebäude energetisch zu sanieren und welche Einsparungen sich dadurch ergeben. Hier gibt es ein neues Sofortprogramm der Ministerien, die dies zum Teil aufgreifen, indem sie die Förderlandschaft angepasst haben und auch auf Energieberatung setzen.

Außerdem spielen die Kommunen eine wichtige Rolle, indem regionale Lösungen geschaffen werden, z.B. durch den Ausbau von Wärmenetzen. Hier müsste sich der Haushalt einmal entscheiden, sich an ein Wärmenetz anzuschließen. Die Entscheidung zum Austausch der Wärmequelle von fossilen zu erneuerbaren Energien trifft dann nicht mehr der Haushalt, sondern der Energieversorger. Das würde es vereinfachen, die vielen einzelnen Entscheidungen des Haushalts auf ein übergeordnetes System zu lenken.

Sie haben zu Beginn bereits kurz die Industrie aufgegriffen, die gegenüber den Haushalten den größeren Baustein bildet. Am EWI nutzen Sie eigens entwickelte Simulationsmodelle, die unter den vorgegebenen politischen Rahmenbedingungen sowohl zeitliche als auch räumliche Parameter des Energiemarktes einbeziehen. Wie gehen Sie genauer vor, um diese Modelle zu nutzen?

Bocklet: Die Modellierung ist der Kern unserer Arbeit und zeichnet das EWI aus. Unter der Vorgabe der politischen Rahmenbedingungen simulieren wir zum Beispiel, wie ein möglicher Energiemix der Zukunft unter Berücksichtigung des Klimaneutralitätsziels 2045 aussehen könnte. Dabei hängt es immer von der konkreten Fragestellung ab, wie wir eine Analyse angehen. Beispielsweise berechnen wir, welche Investitionen in den Kraftwerksparks getätigt werden müssten, damit ein bestimmtes Szenario eingehalten werden kann. Dabei spielt natürlich auch eine Rolle einzubeziehen, was wir in Deutschland produzieren können, z.B. an Wasserstoff, und was wir anderenfalls aus dem Ausland einkaufen müssen. Diese Ergebnisse sind sozusagen Leitplanken: Denn um beispielweise im Jahr 2040 einen bestimmten Anteil an grünem Wasserstoff im Netz zu haben, müssen die Investitionen zeitnah getätigt, Verträge abgeschlossen und Infrastrukturen geschaffen werden. Durch unsere Berechnungen begleiten wir die Energiewelt darin.

Was ist Ihrer Meinung nach die größte Herausforderung, die bei Berücksichtigung der unterschiedlichen Sektoren wie Gebäude- oder Industriesektor aufkommt?

Bocklet: Die zentrale Herausforderung liegt darin, schnell zu handeln und dabei die Emissionen nicht nur von einem Sektor in den nächsten zu schieben, sondern das Gesamtzusammenspiel von Energie, Industrie und Haushalten zu betrachten. Die Geschwindigkeit von Entscheidungen zu Investitionen in allen Sektoren ist das, worauf es jetzt ankommt, denn hinter all diesen stehen langwierige Prozesse.

Gibt es sonst etwas, das Sie an dieser Stelle gerne loswerden möchten?

Bocklet: In meinen Augen ist es wichtig, das Gesamtzusammenspiel zu betrachten. Als Energiewirtschaftliches Institut beleuchten wir die Themen aus einem ökonomischen Blickwinkel. Der Austausch mit Fachleuten aus anderen Disziplinen, zum Beispiel der Verhaltensökonomik und Sozialwissenschaft, ist für unsere Arbeit dabei sehr wertvoll. Wir freuen wir uns auch über den Austausch mit den JRF-Instituten zum Thema Gesellschaft und Digitalisierung. Denn in unserer Arbeit diskutieren wir u.A. die flexible Stromnachfrage von Haushalten – dabei können Smartmeter helfen, die den Strompreis in kurzen Zeitintervallen übermitteln.
Bei der Energiewende kommt es auf das Verhalten von uns allen an.

Das Interview wurde geführt von Wiebke Schuppe, JRF.