Kann Quantenmechanik zum Nutzen der Verbraucher in Supermärkten und Restaurants eingesetzt werden? Das wollen die AMO GmbH und ihre Partner in dem vom BMBF geförderten Projekt „QSPEC – Quantensensor zur verbesserten Detektion der Authentizität und der Inhaltsstoffe von Lebensmitteln“ beweisen.
Auf Lebensmitteln stehen oft stolze Angaben über ihre Inhaltsstoffe – sei es die geografische Herkunft, die Bio-Zertifizierung oder das Vorhandensein bzw. Nichtvorhandensein bestimmter Zutaten. Eine genaue Überprüfung dieser Angaben ist äußerst schwierig, weshalb Lebensmittelbetrug leider sehr häufig vorkommt. Schätzungen sprechen von einem Schaden von 10-50 Milliarden Euro pro Jahr allein in der EU – in einigen Fällen auch mit erheblichen gesundheitlichen Risiken.
Im Kampf gegen Lebensmittelbetrug helfen moderne Authentizität-Testmethoden, die nicht auf spezifische Substanzen abzielen, sondern den „Fingerabdruck“ eines Lebensmittels, d. h. sein Spektrum, mit einer Datenbank von Referenzspektren vergleichen. Heute ist die NMR-Spektroskopie der goldene Standard der Echtheitsprüfung. Mit ihr lässt sich fast jede organische Substanz in einer bestimmten Probe eindeutig identifizieren. Einziges Problem bei der Anwendung: Die Kosten sind viel zu hoch. Es braucht eine entsprechende Ausrüstung, die im Millionenbereich liegt.
Das Projekt QSPEC möchte nun die Grundlage für eine neue Generation von Analyseinstrumenten schaffen, die (fast) so wirksam wie die NMR sind, dabei aber wesentlich kostengünstiger. „In dem Projekt kombinieren wir die Fortschritte aus zwei Bereichen“, sagt Dr. Stephan Suckow, Leiter der Nanophotonik Gruppe bei AMO und Koordinator des QSPEC-Projekts. „Einerseits bauen wir auf den Fortschritten der photonischen Chipindustrie auf, um ein kompaktes System zu entwickeln, das für die Massenproduktion geeignet ist. Andererseits nutzen wir sehr fortschrittliche Konzepte aus dem Bereich der Quantensensorik.“
Messen mit verschränkten Photonen
Quantentechnologie spielt in dem von QSPEC angestrebten Konzept der Bauelemente eine sehr entscheidende Rolle, insbesondere die Idee, verschränkte Photonenpaare zu verwenden. Suckow sagt: „Wir verwenden ein Verfahren, das – mit Verlaub – total abgefahren ist. Wir erzeugen ein Paar verschränkter Photonen und verwenden eines davon, um mit der Lebensmittelprobe zu interagieren, und das andere, um Informationen darüber zu erhalten, was sich darin befindet.“
Das ist möglich, weil bei zwei verschränkten Photonen jede Einwirkung auf eines der beiden gleichzeitig auch das andere Photon beeinflusst, selbst wenn sie physisch getrennt sind. Das hat etwas Gespenstisches, ist aber gleichzeitig auch einer der faszinierendsten und weniger intuitiven Aspekte der Quantenmechanik und einer der Schlüsselaspekte, die im Projekt QSPEC genutzt werden.
Der andere entscheidende Punkt ist, dass das verschränkte Photonen-Paar mit einem sogenannten Quantenfrequenzkamm erzeugt wird, der Photonen mit zwei unterschiedlichen Frequenzen ergibt. Eines der Photonen liegt im sogenannten molekularen Fingerabdruckbereich im mittleren Infrarotspektrum und ist daher besonders geeignet für die Wechselwirkung mit der Probe. Das andere Photon liegt im Nahinfrarot-Bereich und ist daher besonders leicht zu erfassen. Unter Ausnutzung dieser Effekte erwartet das QSPEC-Team eine spektrale Auflösung, die mindestens 50-mal höher ist als die der derzeit besten optischen Spektrometer, bei einer Empfindlichkeit jenseits der klassischen Rauschgrenze. „So wird es möglich, ‚Fingerabdrücke‘ von Lebensmittelproben zu nehmen, ähnlich wie es heute in den fortschrittlichsten NMR-Labors gemacht wird, aber mit einer Technologie, die in großem Maßstab zu viel geringeren Kosten eingesetzt werden könnte“, sagt Suckow.
Ein Leuchtturm-Projekt
Das Projekt, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der Maßnahme „Leuchtturmprojekte der quantenbasierten Messtechnik zur Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen“ gefördert wird, vereint bedeutende Expert*innen der Quantensensorik, der Nanophotonik sowie der Laser- und Messtechnik und der Lebensmittelqualitätsbewertung. Zum QSPEC-Konsortium gehören neben der AMO, die für die Entwicklung des integrierten nanophotonischen Chips verantwortlich ist, auch das Institut für Photonik der Leibniz Universität Hannover, TOPTICA Photonics, das Laser Zentrum Hannover e.V., AMOtronics, und das Deutsche Institut für Lebensmitteltechnik.
Weitere Informationen auf Seiten des JRF-Instituts AMO.