Die angespannte Gasversorgung in Europa führte zuletzt zu einer reduzierten Gasnachfrage und Ankündigungen zum Ausbau der LNG-Infrastruktur. Effekte auf Gasimporte in Europa und globale Gaspreise untersucht eine neue Analyse des EWI.

Das Energiewirtschaftliche Institut an der Universität zu Köln (EWI) hat die Entwicklung der europäischen Gasversorgung in Abhängigkeit von der globalen Gasnachfrage und -angebot in insgesamt sechs Szenarien bis zum Jahr 2035 untersucht. In den Szenarien zeigt sich eine zentrale Bedeutung von Flüssigerdgas (Liquefied Natural Gas, LNG) für die europäische Gasversorgung bis zum Jahr 2035. Der in der Analyse angenommene Ausbau europäischer LNG-Regasifizierungskapazitäten würde in den betrachteten Szenarien zur Nachfragedeckung ausreichen.

Die Gaspreise könnten sich mittelfristig wieder dem historischen Preisniveau in Europa annähern, im Fall einer global stark sinkenden Nachfrage könnte dies bereits bis zum Jahr 2026 geschehen. Das zeigt die Untersuchung „Analyse der globalen Gasmärkte bis 2035“, die das EWI im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) erstellt hat.

Hohe Auslastung europäischer LNG-Infrastruktur bei leicht rückläufiger Gasnachfrage

Die Analyse enthält drei Szenarien zur Modellierung der globalen Nachfrage nach Gas. Für Europa werden eine moderate, fallende und stark fallende Variante der Gasnachfrage angenommen, diese entsprechen aktuellen Projektionen der Internationalen Energieagentur (IEA). Im Szenario mit dem stärksten Nachfragerückgang wird globale Klimaneutralität im Jahr 2050 erreicht. Angebotsseitig gibt es zwei Szenarien: Ein Fall mit Gaslieferungen aus Russland auf dem Niveau des 4. Quartals im Jahr 2022, Infrastrukturinvestitionen über die bereits beschlossenen hinaus sind möglich. Außerdem ein Szenario ohne Importe aus Russland nach Europa, der Infrastrukturausbau ist weiterhin auf die bereits beschlossenen Projekte beschränkt. Neben den bestehenden LNG-Kapazitäten wurde in der Analyse der globale Zubau von LNG-Terminals berücksichtigt. Für Deutschland wird in der Analyse eine aggregierte Kapazität von 40 Milliarden Kubikmetern pro Jahr angenommen.

Zur Deckung der in den Szenarien unterstellten Gasnachfrage reichen in der Analyse die angenommenen LNG-Regasifizierungskapazitäten in Deutschland und Europa aus. In der Untersuchung wird dabei nur die aggregierte Gesamtkapazität betrachtet und keine Unterscheidung von stationären oder schwimmenden (FSRU) Terminals vorgenommen. Bei einem Ausfall russischer Gaslieferungen und moderat sinkender Nachfrage in Europa ist eine hohe Auslastung der Kapazitäten in nahezu allen europäischen Ländern bis 2030 zu verzeichnen. Die Auslastung steigt in dem Szenario bis 2035 an, um rückläufige Gaslieferungen aus Norwegen zu kompensieren. In den Szenarien mit stärker zurückgehender Gasnachfrage ist der Auslastungsgrad der Terminals deutlich niedriger. Inwieweit die LNG-Kapazitäten auch in Extremsituationen (z. B. Ausfall größerer Infrastrukturkomponenten) für Versorgungssicherheit sorgen, war nicht Bestandteil der Analyse.

Norwegen und USA könnten die wichtigsten Gaslieferanten für Europa werden

In der Analyse bleibt Norwegen einer der wichtigsten Gaslieferanten für Europa. Neben leitungsgebundenen Gasimporten steigt die Bedeutung von Flüssigerdgas in der europäischen Gasversorgung. Zudem könnten LNG-Importe die langfristig rückläufige Produktion in Norwegen ausgleichen. Das LNG stammt in den Szenarien größtenteils aus den USA und Katar. Im Szenario mit leicht rückläufiger Gasnachfrage und niedrigem Gasangebot würden die USA mit bis zu 138 Milliarden Kubikmeter im Jahr 2035 zum wichtigsten Gaslieferanten für Europa aufsteigen – dies entspräche einem Anteil an den europäischen Gesamtimporten von ca. 45 Prozent. LNG-Importe aus Katar können aufgrund von vertraglich langfristig gebundenen Mengen an asiatische Staaten nicht signifikant erhöht werden.

„Die Gaspreise in Europa könnten sich im Verlauf der Jahre teils deutlich reduzieren“, sagt David Schlund, Senior Research Consultant am EWI. „In allen Szenarien erreichen sie im Jahr 2030 wieder das historische Niveau der 2010er Jahre von unter 20 Euro je Megawattstunde.“ Ein wesentlicher Faktor für die Preisentwicklung ist die Nachfragereduktion. Die Untersuchung zeigt jedoch, dass bei niedrigem Gasangebot und leicht steigender globaler Nachfrage die Preise im Jahr 2026 noch deutlich über den aktuellen Gaspreisen des Terminmarktes für diesen Zeitraum liegen könnten.

Im Vergleich lagen die Gaspreise in Europa historisch meist über dem Niveau der USA und unter dem in Asien. Zuletzt sind die Preise in Europa deutlich angestiegen und lagen teils deutlich über dem Niveau in Asien. Zukünftig könnten die Gaspreise in Europa und Asien auf vergleichbaren Niveaus liegen. Die Preise in den USA bleiben in der Analyse aufgrund des exportorientierten Gasmarktes dauerhaft unter dem Preisniveau in Europa und Asien.

Bilanzanalyse für Deutschland untersucht kurzfristige Verfügbarkeit von Gas

Neben der Simulation der globalen Gasmärkte enthält die Analyse eine Gasmengenbilanzierung der Gasversorgung in Deutschland. Diese variiert in mehreren Szenarien Gasangebot sowie -nachfrage, z.B. durch einen kalten Winter oder einen Stopp russischer Gasimporte. In allen betrachteten Szenarien stünde Deutschland bilanziell bis zum Jahr 2025 ausreichend Gas zur Verfügung. Die Gasspeicher wären im Untersuchungszeitraum ausreichend gefüllt, die gesetzlichen Speichervorgaben erfüllt. Die Gasbilanzanalyse stellt jedoch keine Simulation der Gashandelsflüsse dar und weist daher Unsicherheiten in Bezug auf die Reaktion der Märkte auf Preisänderungen, mögliche Netzengpässe in Spitzenlastsituationen und die Entwicklung des Gastransitbedarfs in die Nachbarländer auf.

Weitere Informationen auf Seiten des JRF-Instituts EWI.