In den vergangenen Wochen konnten Eltern in Nordrhein-Westfalen ihre
zukünftigen Erstklässler*innen für das nächste Schuljahr anmelden. ILS Wissenschaftlerin Isabel Ramos Lobato hat die Auswirklungen der elterlichen
Schulwahl auf die Zusammensetzung der Grundschulen untersucht.
Die Ergebnisse sind jetzt als ILS-TRENDS „Soziale Entmischung in der
Grundschule – wie die Wahl der Eltern Segregation verstärkt“ erschienen.
Das Heft entstand unter Mitarbeit von Andreas Wettlaufer, Andreas Farwick
und Heike Hanhörster.
„Kinder mit unterschiedlichem sozio-ökonomischem oder ethnisch-kulturellem
Hintergrund sind in Grundschulen oft stärker voneinander getrennt als in
ihren Wohnvierteln“, erläutert die Wissenschaftlerin eines der zentralen Ergebnisse.
Die Schulwahl der Eltern spiele dabei eine zentrale Rolle. „Selbst
wenn privilegiertere Familien in eher gemischten Stadtvierteln leben, wählen
sie für ihre Kinder häufig eine Schule außerhalb der Nachbarschaft“, so Ramos
Lobato.
In der Studie wurden beispielhaft für eine Stadt in NRW die Daten der Schulverwaltungs-
und Einwohnermeldestatistik ausgewertet. Zur Messung der sozio-
ökonomischen Segregation wurde der Indikator der Lernmittelbefreiung
genutzt. Diese erhalten überwiegend Familien, die Sozialleistungen beziehen
oder andere gravierende finanzielle Belastungen vorweisen. Die ethnisch-kulturelle
Segregation wurde anhand des Migrationshintergrunds bzw. der Religionszugehörigkeit
erfasst.
„Die wahrgenommene Zusammensetzung der Schule hat einen entscheidenden
Einfluss auf das Wahlverhalten der Eltern“, so Ramos Lobato. Für Eltern
mit höherem Einkommen und Bildungshintergrund gilt: Je höher der Anteil
der Kinder mit Lernmittelbefreiung an einer Schule, umso schlechter schätzen
sie deren Ruf ein und umso häufiger meiden sie diese. „Eltern mit niedrigerem Einkommen und Bildungshintergrund legen bei der Schulwahl
größeren Wert auf Unterstützungsangebote“, erläutert die Wissenschaftlerin.
Die soziale Entmischung in der Grundschule kann auch die Aufstiegschancen
der Kinder beeinflussen. So weisen Schulen mit besonders vielen sozial benachteiligten
Kindern im Schnitt deutlich schlechtere Bildungsergebnisse auf.
„Die Schulsegregation ist damit nicht nur ein Spiegel sozialer und räumlicher
Ungleichheit, sondert trägt auch dazu bei, diese zu zementieren“, so die Wissenschaftlerin.
Ansatzpunkte für gemischtere Schulen sieht sie etwa in der besseren Ausstattung
von benachteiligten Schulen und in transparenten, schulübergreifenden
Aufnahmeprozessen. „Um die soziale Entmischung zu vermeiden, bedarf es
zusätzlicher finanzieller Unterstützung bestimmter Schulen sowie klarer und
verbindlicher Kriterien bei der Aufnahme der Kinder“, so Ramos Lobato.
Dieses Heft basiert auf einem laufenden Forschungsprojekt, das von der Deutschen
Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziert wird (445595495).
Die Ausgabe 03/23 „Soziale Entmischung in der Grundschule – wie die Wahl der
Eltern Segregation verstärkt“ kann jetzt hier heruntergeladen werden.