Am 28. März 2022 fand die Online-Veranstaltung „Urbane Versorgung über die Wasserstraße“ im Rahmen der Veranstaltungsreihe „JRF vor Ort“ statt. Sie war gleichzeitig als Abschlussveranstaltung des Forschungsvorhabens „DeConTrans – Innovative Konzepte für einen dezentralen Containertransport auf der Wasserstraße“ mit Beteiligung der beiden JRF-Mitgliedsinstitute – DST und RIF – konzipiert.
Zur Veranstaltung begrüßte Ramona Fels, stellvertretende Vorstandsvorsitzende und kaufmännische Vorständin der Johannes-Rau-Forschungsgemeinschaft, die auch als Moderatorin durch die Veranstaltung führte, die Teilnehmer. Mit knapp 120 Anmeldungen stieß die Veranstaltung auf reges Interesse in der Fachöffentlichkeit.
In seiner Keynote sprach der Bundestagsabgeordnete Bernd Reuther MdB (FDP), Obmann im Verkehrsausschuss und Sprecher der Parlamentsgruppe Binnenschifffahrt im Deutschen Bundestag, über die weitreichenden, ungenutzten Potenziale der Binnenschifffahrt und -häfen und nannte die Infrastruktur, Flottenmodernisierung und den Personalmangel als größte Herausforderungen des Sektors, bevor er auf die Leistungsfähigkeit der Binnenschifffahrt und die Potenziale durch Automatisierung und Digitalisierung abhob.
Darauf folgte der erste Themenblock mit drei Impulsvorträgen zu Innovationsprojekten aus ganz Deutschland. Zunächst stellte Tim Holzki von der Technischen Universität Berlin das Projekt A-SWARM vor, das die gemeinsame Nutzung von Wegstrecken mit kleinen autonomen Schiffseinheiten für den Einsatz in städtischen Gebieten untersucht. Holzki betonte die enge Verbundenheit von Citylogistik auf der Wasserstraße und einem sinnvollen Anschluss an die letzte Meile, beispielsweise mit Lastenrädern oder E-Fahrzeugen. Im nächsten Vortrag stellte Janusz Andrzej Piotrowski von der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg das wirtschaftliche Potenzial von autonomen, mit regenerativen Energien betriebenen Schiffen, die ein zentrales Merkmal des europäischen Projekts AVATAR darstellen, vor. Ziel des Projekts ist es, die Straße zu entlasten und Lärm und Abgas-Emissionen zu vermeiden, indem wirtschaftlich sinnvolle Alternativen über die Wasserstraße entwickelt werden. Daniel Rybarczyk von der Berliner Firma BANLabs präsentierte die Idee des „Smart Port Shuttle Hildesheim“. Dabei handelt es sich um ein autonomes Konzept zur besseren Anbindung von Häfen in Stichkanälen mit der Hauptstrecke. Im konkreten Fall wird der Hafen Hildesheim im gleichnamigen Stichkanal mit dem Mittellandkanal verbunden. Im Fokus steht dabei ein Schubverbandskonzept, welches die notwendige Flexibilität bietet und eine Zwischenlagerung der Leichtereinheiten auf dem Wasser erlaubt.
Im zweiten Themenblock, der auf Ergebnisse aus nordrhein-westfälischen Forschungsvorhaben fokussierte, stellte Cyril Alias, Projektleiter und Leiter des Fachbereichs Logistik & Verkehr im DST, zunächst das Projektkonzept von DeConTrans vor. Es umfasst dabei ein in die bestehenden Güterströme integriertes Logistikkonzept im Gebiet zwischen Rhein und Weser, kleine Binnenschiffe für den einlagigen Containerverkehr sowie ein Umschlagkonzept, das primär auf bestehende Umschlaginfrastruktur fußt und einen mobilen Bordkran für den bedarfsgerechten Umschlag an dezentralen Umschlagstellen vorsieht. Anschließend wurde das entwickelte Simulationstool zur Untersuchung des Gesamtkonzeptes durch Sven Severin vom RIF – Institut für Forschung und Transfer in einer Live-Demonstration vorgeführt. Zum Abschluss des Vortrags stellte Jonas zum Felde (DST) die Ergebnisse der ausführlichen Simulationsstudie des Projekts vor. Im gleichen Themenblock stellte Prof. Holger Beckmann von der Hochschule Niederrhein stellte das Konzept der SmartPark City Hubs (SPaCiH) aus dem gleichnamigen Projekt vor. Das Konzept besteht aus Hub-Standorten, die mit Bahn und Binnenschiff verbunden sind, um eine nachhaltige Versorgung im städtischen und ländlichen Raum zu realisieren. Im letzten Vortrag des Tages stellte Günter Hackenfort von GH System das Projekt iWALD vor, welches sich mit der Entwicklung von standardisierten Kleincontainern und der dazugehörigen Infrastruktur befasst. Zusammen mit den Projekten DeConTrans und SPaCiH ergibt sich hieraus eine Gesamtidee für die urbane Versorgung der Zukunft.
An der folgenden Podiumsdiskussion, die von Matthias Simons von der Niederrheinischen IHK zu Duisburg – Wesel – Kleve moderiert wurde, nahmen neben Bernd Reuther, MdB und Cyril Alias auch Marcel Lohbeck (BÖB und VBW), Jens Hohls (Hafen Braunschweig) und Hendrik Stöhr (Reederei Deymann) teil. Die Diskussion befasste sich mit den Potenzialen der Citylogistik auf der Wasserstraße und den hierfür notwendigen Bedingungen, etwa dem Einsatz von Standardladungsträgern, einer ganzheitlichen Betrachtung der Logistikkette und der gesellschaftlichen Akzeptanz. Darüber hinaus wurden die Fördermöglichkeiten, beispielsweise in Form von Betriebsförderungen und gelockerten rechtlichen Vorgaben, sowie die Einrichtung von Reallaboren zur Erprobung von Innovationen im Marktumfeld besprochen.
Insgesamt führte die Veranstaltung den interessierten Teilnehmern die große Bandbreite von Anwendungen der Binnenschifffahrt in der City- und Regionallogistik vor Augen. Ebenso wurde die gute Integrierbarkeit des Binnenschiffs in komplexe, mitunter globale Transportketten dargelegt – nicht zuletzt durch die drei Forschungsvorhaben aus Nordrhein-Westfalen.