Die Veranstaltung „Elektromobilität – Innovationen und Lösungen aus NRW“ am 10.10.2018, die mit 200 Gästen ausgebucht war, genoss besondere Aktualität. Nach dem heißen Jahrhundertsommer und immer noch sommerlichen Temperaturen bei der Veranstaltung (Mitte Oktober) wurde die Bedeutung des Pariser Klimaabkommens deutlich. Dennoch wurde nur wenige Wochen vorher verkündet, dass Deutschland die Klimaziele verpassen werde. Im Diesel-Streit hatte sich die große Koalition wenige Tage zuvor nach langem Ringen mit den Automobilkonzernen auf ein Diesel-Paket geeinigt, um Fahrverbote in deutschen Städten zu vermeiden. Zeitgleich besetzten Aktivisten den Hambacher Forst, forderten das Ende des Braunkohletagebaus und erwirkten einen Rodungsstopp des alten Waldstückes.
Diese Hintergründe rahmten die Veranstaltung, bei der es bei weitem nicht nur um Elektromobilität als technologisches Instrument und Baustein einer Verkehrswende ging. Vielmehr war „Elektromobilität“ thematischer Ausgangspunkt für die Beschäftigung mit zukünftigen Mobilitätskonzepten, der Rolle von Politik und Gesellschaft und der engen Verknüpfung zwischen Mobilitäts- und Energiewende.
WissenschaftlerInnen aus den vier JRF-Instituten Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie, ILS – Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung, ZBT – Zentrum für BrennstoffzellenTechnik und DST – Entwicklungszentrum für Schiffstechnik und Transportsysteme beleuchteten das Thema aus jeweils unterschiedlichen fachlichen Perspektiven. Der Direktor des FIR, Prof. Dr. Günther Schuh, stellte das kostengünstige E-Auto e.GO Life vor und skizzierte eine Vision für die Zukunft der urbanen Mobilität.
Veranstaltungsdokumentation als PDF:
Es braucht „Zukunftskunst“ für gesellschaftlichen Wandel!
Prof. Dr. Uwe Schneidewind vom JRF-Institut Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie führte in seinem Vortrag „Dekarbonisierung des Verkehrs – Perspektiven 2030/2050“ aus, dass es in Umbruchphasen wie der jetzigen „Zukunftskunst“ brauche, um den technischen, ökonomischen, ökologischen und politischen Herausforderungen zu begegnen. Er definierte sieben Arenen der Großen Transformation: Wohlstand-/Konsumwende, Energiewende, Ressourcenwende, Ernährungswende, Urbane Wende, Mobilitätswende und Industrielle Wende.
Dabei sei die Mobilitätswende einer der Schüsselbausteine, insbesondere in der Frage, ob uns die Energiewende gelingt. Beim Thema Mobilität sei in Deutschland seit dem Jahr 1990 jedoch wenig geschehen. Dabei gehe es um weitaus mehr als nur um den Austausch von Motoren. Die Ansatzpunkte seien „vermeiden, verlagern und verbessern“: Wenn der Verkehr bis 2035 decarbonisiert betrieben werden soll, müsse vor allem der individuelle Personenverkehr massiv an Energie einsparen und eine Verlagerung zugunsten des Zurücklegens von Wegen zu Fuß, mit dem Fahrrad und mit öffentlichen Verkehrsmitteln erfolgen. Der Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor habe „drei Schwestern“: 1. Die Faktor-10-Mobilität einer wirklichen Mobilitätswende. Hierbei wird die Frage beantwortet, wie wir in Zukunft den Verkehr in unseren Städten mit nur noch einem Zehntel der PKW organisieren können. 2. Die Sektorkopplung – eine auf die Umstellung auf Elektromobilität zeitlich und vom Umfang her angepasste Energiewende. Und 3. eine konsequente automobile Kreislaufwirtschaft.
Die Dimensionen der Mobilitätswende seien folglich vielfältig. Neben die technologischen Möglichkeiten (Elektromobilität, Brennstoffzellen, autonomes Fahren) müssten auch ökonomische Veränderungen her (neue Geschäftsmodelle und Wettbewerber, ökonomischer Strukturwandel). Die Politik spiele hierbei eine wichtige Rolle, da sie verantwortlich sei für Ansätze neuer Mobilitätspolitik auf europäischer, nationaler und regionaler Ebene. Nicht zuletzt sei auch die kulturelle Dimension bedeutend. Besonders im Vergleich der Generationen stelle sich heraus, dass die Verständnisse urbaner Lebensqualität sehr unterschiedlich seien: Junge Menschen in Großstädten würden den eigenen PKW nicht mehr als Statussymbol und Must-have ansehen.
Als Fazit skizzierte Prof. Schneidewind acht Dilemmata der Mobilitätswende, wonach zahlreiche Zielkonflikte das Umsteuern erschweren würden. Es stellten sich beispielsweise die Fragen, ob die Welt oder der Wirtschaftsstandort Deutschland gerettet werden soll oder wessen Interessen im Konflikt um begrenzten Straßenraum mehr zählen sollen.
Schneidewind verwies auf das kürzlich von ihm erschienene Buch „Die große Transformation – Eine Einführung in die Kunst gesellschaftlichen Wandels“, das sich diesen und weiteren Fragestellungen widme.
Paradigmenwechsel in der Stadt- und Verkehrsplanung nötig!
Dr. Dirk Wittowsky vom JRF-Institut ILS – Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung in Dortmund, hielt in seinem Vortrag „Elektromobilität in der Stadt- und Verkehrsplanung: zum Umgang mit Unsicherheiten und neuen Strukturen“ fest, dass eine Mobilitätswende überfällig und unausweichlich sei, da infrastrukturell, ökologisch und gesundheitlich die Grenzen der Belastung erreicht seien. Dabei stimmte er seinem Vorredner dahingehend zu, dass Elektromobilität ein zentraler Baustein zur Lösung dieser Probleme und die Verkehrswende eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sei. Sowohl in der Stadt, als auch auf dem Land müsste der Verkehr reduziert werden und Angebot und Infrastruktur so umgebaut werden, dass dies nicht zu Lasten der Mobilität gehe. Eine technologische Revolution reiche dazu alleine nicht aus, es brauche beispielsweise eine stärkere Vernetzung der unterschiedlichen Mobilitätsangebote (vernetztes, intermodales Mobilitätssystem, in dem geteilt, getauscht und kombiniert wird), eine stärkere Zusammenarbeit zwischen den Kommunen und das Aufbrechen von Routinen und Gewohnheiten der Menschen. Wittowsky merkte folglich kritisch an, dass ein Paradigmenwechsel in der Stadt- und Verkehrsplanung nötig sei. Dabei werde nicht alles reibungslos verlaufen: Es werde bei der Verkehrswende voraussichtlich Unterschiede zwischen Stadt und Land und der Teilhabe und dem Ausschluss bestimmter Gruppen von (bezahlbarer) Mobilität geben.
Der Baustein „Elektromobilität“ spiele dabei eine wichtige Rolle, wobei häufig nur an „Stromautos“ gedacht werde. Dabei gäbe es zahlreiche weitere Beispiele: Bahn, Tram, Stadtbahn, O-Busse, E-Busse, E-Autos, E-Transporter, E-Bikes, E-Scooter, Batterieelektrische-, Hybride- und Brennstoffzellen-Fahrzeuge. Bereits 19 Prozent aller neu gekauften Fahrräder seien E-Bikes, hier habe bereits eine kleine Revolution stattgefunden, die nun flankiert werden müsse von einer besseren Fahrradwege-Infrastruktur und praktikableren Lade- und Speicherverfahren.
Batterie oder Brennstoffzelle? Beides!
Prof. Dr. Angelika Heinzel vom JRF-Institut ZBT – Zentrum für BrennstoffzellenTechnik in Duisburg lenkte in ihrem Vortrag „Elektromobilität mit Wasserstoff-Brennstoffzelle:
Nicht nur für den PKW!“ den Blick auf die Einsatzbereiche von Wasserstoff-Brennstoffzellen.
Heinzel nannte drei Gründe für die Beschäftigung mit Wasserstoff: Die Verstromung von Wasserstoff funktioniere am besten in Brennstoffzellen, der politische Wille, diese Technologie zu fördern, sei seit rund 25 Jahren vorhanden und der gesellschaftliche und politische Auftrag, erneuerbare Energien einzusetzen für Elektromobilität.
Wasser müsse zunächst mittels Elektrolyse in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten werden. Anschließend könne der Wasserstoff transportiert und verteilt oder für wind- und sonnenarme Phasen gespeichert werden. Genutzt werden könne Wasserstoff sehr vielfältig: Als Energieträger für den Transportbereich, in der Industrie oder zur Beheizung von Gebäuden. Damit gelänge eine Dekarbonisierung vieler energieintensiver Bereiche. Das ZBT in Duisburg bilde diese gesamte Entwicklungskette am Institut ab: Vorgehalten werden ein Elektrolysetestfeld, ein Testfeld für die Distributions- und Tanktechnologie und Pufferspeicher. In Projekten wurden und werden Brennstoffzellenfahrzeuge, Brennstoffzellen für die Industrienutzung oder Kraft-Wärme-Kopplungssysteme auf Brennstoffzellen-Basis entwickelt. Neuerdings werde dabei geholfen, ein Stahlwerk möglichst zu dekarbonisieren, das entstehende Kohlendioxid also stofflich mit Hilfe von Wasserstoff zu nutzen. Dabei sei für nachhaltige Lösungen in allen Fällen unabdingbar, dass die Elektrolyse nur mit erneuerbaren Energien erfolgt.
Nach diesem Überblick legte Heinzel den Fokus auf den Transportbereich. Hier müsse die Tankinfrastruktur ausgebaut werden. Bisher gäbe es in Deutschland rund 50 Wasserstoff-Tankstellen. Der große Vorteil gegenüber batterieelektrisch betriebenen Fahrzeugen sei die schnelle Tankdauer von nur rund 4 Minuten und die in der Regel größere Reichweite, die bei aktuellen Modellen zwischen 270 und 750 km mit einer Tankfüllung reiche. Die Speicher und Distributionskosten müssten sinken, dies gelänge über große Elektrolyseure, was technisch durchaus leistbar wäre. Grundsätzlich stelle sich bei Fahrzeugen nicht die Frage nach Batterie oder Brennstoffzelle. Beides müsse nebeneinander und sich ergänzend gedacht werden, so Heinzel. Für den nahen Bereich, also die urbane Mobilität, seien batterieelektrisch betriebene Fahrzeuge eine gute Lösung. Wasserstoffbetriebene Fahrzeuge eigneten sich wiederum bei mittleren bis langen Entfernungen, also bei Bussen und im LKW-Transport. Auch bei langen Strecken halte diese Technologie langsam Einzug, so bei Zügen, Flugzeugen und Schiffen. Elektromobilität mittels Wasserstoff-Brennstoffzellen sei also längst vorhanden und werde in verschiedenen Bereichen eingesetzt und ausgebaut.
Es braucht alternative Antriebe für die Binnenschifffahrt!
Benjamin Friedhoff vom JRF-Institut DST – Entwicklungszentrum für Schiffstechnik und Transportsysteme in Duisburg knüpfte in seinem Vortrag „Elektrische Antriebe auf der Wasserstraße“ mit einem Projektbeispiel unmittelbar an die Ausführungen von Heinzel an.
Einführend verdeutlichte Friedhoff anhand einiger Kennzahlen, dass Binnenschiffe im Vergleich zu LKW-Sattelzügen zwar langsam, aber sehr effizient seien, bezogen auf die beförderte Ladung. Nicht zuletzt aufgrund des Diesel-Streits sei das Thema „Luftverschmutzung durch die (Binnen-)Schifffahrt“ dennoch in den Fokus der medialen Öffentlichkeit gelangt. Tatsächlich seien Binnenschiffe häufig sehr alt. 60 Jahre und mehr seien keine Seltenheit. In der Lebenszyklus-Analyse sei dies zwar positiv, es erschwere aber die Implementierung neuer (Antriebs-)Technologien.
Von regulatorischen Stellen wurden bereits neue Abgasgrenzwerte für Binnenschiffe eingeführt, die ab 2020 gelten werden und die es den Herstellern von herkömmlichen Schiffsmotoren auf diesem Nischenmarkt erschweren werden, weiterhin konkurrenzfähig zu bleiben. Umso interessanter sei daher aktuell die Beschäftigung mit alternativen Antrieben für die Binnenschifffahrt. Dieser Herausforderung widmeten sich im Projekt „E-Binnenschiff“, die beiden JRF-Institute DST und ZBT mit weiteren Partnern aus der Industrie und der Logistikbranche, von Reedereien, Werften und Häfen. Ziel des Projekts war es, die Möglichkeiten und Grenzen von Binnenschiffen mit Elektromotoren zu erforschen. Dazu seien der Energie- und Leistungsbedarf für bestimmte Routen simuliert worden. Es seien verschiedene Systeme betrachtet worden: von hybriden Antriebsarten über rein batterieelektrische hin zu brennstoffzellen-elektrischen Lösungen, aber auch diesel-elektrische Varianten. Auch wurde ein Schiffsentwurf gemeinsam mit dem ZBT erstellt.
Zusammenfassend hält Friedhoff fest, dass Elektromobilität auf der Wasserstraße möglich sei und voraussichtlich schrittweise Einzug halten werde. Derzeit seien die Kosten noch hoch. Langfristig gäbe es viele Optionen, um die Binnenschifffahrt zu revolutionieren. Mittelfristig könnte lokal ein emissionsfreier Betrieb ermöglicht werden, in dem bei der Durchfahrt von Städten mit hoher Luftverschmutzung kurzzeitig nur die elektrische Batterie in Anspruch genommen würde. Kurzfristig brauche es Pilotprojekte und eine Standardisierung, um die Kosten zu senken und E-Binnenschiffe rentabel zu machen.
Bezahlbare E-Autos für den Stadtverkehr müssen her!
Prof. Dr. Günther Schuh vom JRF-Institut FIR – Forschungsinstitut für Rationalisierung an der RWTH Aachen und CEO der e.GO Mobile AG stellte in den Mittelpunkt seines Vortrags „Zukunft der urbanen Mobilität“ den e.GO Life, ein von seiner Firma in Aachen entwickeltes und produziertes, kostengünstiges Elektrofahrzeug für den Stadtverkehr.
Herkömmliche Autohersteller nähmen fälschlicherweise an, die Kunden seien noch nicht bereit für Elektrofahrzeuge und die fehlende Reichweite sei das Problem. Schuh sei anderer Meinung gewesen und legte das Hauptaugenmerkt des e.Go Life daher auf den günstigen Preis in der Hoffnung, dass auch andere Autohersteller nachziehen werden.
Schuh skizzierte die Alleinstellungsmerkmale des e.GO Lifes: Es würde mit Antriebssträngen ausgestattet, die den Bedürfnissen der Menschen in der Stadt gerecht würden. Je nach Version erreiche das Fahrzeug Höchstleistungen zwischen 20 und 60 kW sowie Geschwindigkeiten zwischen 116 und 152 km/h. Insbesondere die Beschleunigung sei fulminant – beim Ampelstart könne der e.GO Life mit jedem Sportwagen mithalten. Die Reichweite liege zwischen 104 und 158 km, was optimal für den Stadtverkehr sei. Die Ladezeit liege bei 5,4 bis 9,8 bzw. beim Schnellladen bei 3,8 bis 6,9 Stunden.
Das Innenraumkonzept folge einem schlanken und innovativen Ansatz der Einfachheit. Die Karosserie sei aus Thermoplast gefertigt und verkraftete sogar Parkrempler. Ein Autohersteller müsse fünf Klarlackschichten auftragen, um diese Brillanz zu erreichen. Der Rahmen bestehe aus einfachen Vierkant-Aluprofilen. Insgesamt mache dies das Auto so kostengünstig. Zudem sei es besonders wertstabil. Das Fahrzeug könne nicht rosten und es sei kein anfälliger, festeingebauter Motor vorhanden. Die Batterie des e.GO Life lasse sich austauschen, die Software updaten und weitere Ausstattungselemente nachrüsten. Dadurch sei das Fahrzeug über viele Jahrzehnte nutzbar, ja sogar vererbbar. Die Verknüpfung des e.GO Life mit einer App solle weiteren Mehrwert für die Nutzer schaffen.
Aber nicht nur das Fahrzeug selbst sei innovativ sondern auch der Produktionsstandort. Das Werk sei, auch mit Mitteln des Landes NRW, in Aachen Rothe Erde gebaut und im Sommer eröffnet worden. Die Produktion sei von der Entwicklung über den Einkauf bis hin zur Montage gekennzeichnet durch digitale Kontinuität sowohl in der Prozessdefinition als auch im Materialfluss. Für die Herstellung des e.GO Life werde sauberer Solarstrom vom Dach der Anlage geliefert. Die Jahresproduktion solle künftig 20.000 Autos im Zweischichtbetrieb betragen.
Neben dem Privateinsatz könnten die Fahrzeuge besonders gut von lokal viel fahrenden Flottenkunden wie Städten, Behörden, Pflegediensten und Logistikern genutzt werden. Aus dieser Sparte lägen bereits mehr Vorbestellungen vor, als erwartet wurde.
Schuh skizzierte abschließend seine Vision von der Mobilität der Zukunft. Dabei sollte nicht mehr jeder mit seinem PKW in die ohnehin überfüllten Städte hineinfahren. Stattdessen könne es am Stadtrand Parkhäuser geben, die die Fahrzeuge eigenständig parken. Die Weiterfahrt in die Innenstadt könne mit umweltfreundlichen Verkehrsmitteln wie E-Bus, Fahrrad, E-Bike, Pedelecs oder E-Rollern erfolgen. Insbesondere müssten verschiedene Fortbewegungsmittel miteinander verzahnt werden können. Ein Umstieg vom Zug in ein Carsharing-E-Fahrzeug müsse einfach, schnell und benutzerfreundlich realisiert werden können. E-Busse von der Straße auf die Schiene zu verlagern könnte mittels Transportplattformen geschehen.
Konkret sieht Schuh einer Bewerbung NRWs um die Olympischen Spiele 2032 entgegen. So könnten nachhaltige Verkehrskonzepte, eine fortschreitende Vernetzung und gelungene Digitalisierung demonstriert werden.
Die Podiumsdiskussion.
An der anschließenden Podiumsdiskussion, die von WDR-Moderatorin Edda Dammmüller moderiert wurde, nahmen folgende Praxispartner teil:
- Dr. Günther Schuh, Direktor FIR & CEO der e.GO Mobile AG
- Dr. Stefan Bratzel, Direktor Center of Automotive Management (CAM)
- Markus Dehn, Vice President Produktmanagement Elektromobilität, innogy SE
- Thomas Schmalen, Konzernentwicklung/Kommunikation, Regionalverkehr Köln GmbH
- Udo Sieverding, Geschäftsführung/Bereichsleiter „Energie“, Verbraucherzentrale NRW
Bei der Podiumsdiskussion wurden zahlreiche Aspekte aus den vorhergehenden Vorträgen aufgegriffen.
Nur Elektroautos sind keine Lösung
Prof. Dr. Günther Schuh, FIR/e.GO Mobile AG konstatierte, dass obwohl CO2 eingespart werden muss, der Absatz an SUVs stetig steige. Dabei sei auch das alleinige Setzen auf Elektroautos keine Lösung. Eine Ansicht, der sich Markus Dehn von innogy anschloss. Obwohl das Stromnetz – entgegen anderslautender Aussagen in der Öffentlichkeit – durchaus mit dem Mehrbedarf zurechtkäme. Vielmehr müsse sich Gedanken darum gemacht werden, wann geladen werde. Schnellladestation rentabel zu betreiben sei schwierig, Cross-Selling könne hier helfen. Bei langen Standzeiten würde sich das Laden eines Elektrofahrzeugs zu Hause und bei der Arbeit am ehesten lohnen. Kritik übte Dehn daran, dass Prämien vonseiten der Politik momentan nur für Elektroautos gelten würden, obwohl auch Hybridfahrzeuge einen Beitrag zur Verkehrswende leisten könnten.
Umgang mit der Dieselkrise ist Politik- und Industrieversagen
Udo Sieverding von der Verbraucherzentrale hielt den aktuellen Umgang mit der Diesel-Krise für ein Politik- und Industrieversagen. In den vergangenen Jahren sei Elektromobilität von beiden Seiten eher verhindert als gefördert worden. Erschwerend käme hinzu, dass die heutigen Abrechnungssysteme für das Laden von Elektrofahrzeugen kompliziert seien, was auch mit deutschen Eichvorgaben zusammenhänge. In der Bevölkerung sei der Wille zum Umstieg auf Elektromobilität vorhanden, was sich auch in heimischen Investitionen in Photovoltaikanlagen oder Stromspeicher, die sich noch gar nicht rechneten, äußere. Hier werde es den privaten Haushalten allerdings durch eine überbordende Bürokratie erschwert, eigenen Strom zu produzieren und diesen beispielsweise Mietern zur Verfügung zu stellen.
Verkehrsunternehmen müssen Bedarfe individuell ausloten
Thomas Schmalen vom Regionalverkehr Köln (RVK) erläuterte, dass der RVK seit 2011 erfolgreich eine Flotte mit Brennstoffzellen-Bussen betreiben würde. Die Vorteile seien eine mit rund 10 Minuten schnelle Betankungszeit und die relativ weiten Distanzen, die zurückgelegt werden müssten aufgrund der teilweise rund 200 km langen, täglichen Umläufe eines Linienbusses. Andere Verkehrsbetriebe würden auf batterie-elektrische Lösungen setzen. In dieser Frage müsse jedes Verkehrsunternehmen seine Bedarfe individuell ausloten.
Schuh gab zu bedenken, dass die Anschaffungskosten für rein batterie-elektrische Busse häufig drei Mal höher liegen würden, als für Diesel-Busse. Schmalen sah darin kein Problem. Zum einen seien die Gelder für diese Investitionen vorhanden, zum anderen sei ein deutlicher Preisrückgang in den vergangenen fünf Jahren zu verzeichnen gewesen. Schwieriger sei das begrenzte Angebot, das die Nachfrage gar nicht decken könne.
Prof. Dr. Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management (CAM) sah die Brennstoffzellentechnologie bei langen Strecken und in großen Fahrzeugen wie LKW klar vorne.
Elon Musk hat Freude an Elektromobilität geweckt
Schuh wies erneut auf die Rentabilität von elektrisch betriebenen Fahrzeugen hin. Elon Musk habe mit seinen Tesla die Freude am elektrischen Fahren geweckt und aufgezeigt, dass es ein Segment für diese Technologie gibt – wirtschaftlich für das Unternehmen seien die Fahrzeuge aber keineswegs. Dennoch sei man ihm zu Dank verpflichtet, da er eine Beschäftigung mit und eine breite Diskussion um Elektromobilität im Alltag angeregt habe. Zudem könne man nicht auf „Defossilisierung“ setzen, solange kein vollständiger Ersatz verfügbar sei.
Verkehrswende hat Umsetzungsproblem und nicht Erkenntnisproblem
Bratzel war der Ansicht, dass es bei der Verkehrswende weniger ein Erkenntnisproblem als vielmehr ein Umsetzungsproblem gäbe. Die Modelle und Theorien seien seit Jahrzehnten im Grundsatz vorhanden. Die Handlungsfähigkeit der Politik müsse gestärkt werden, um die vorhandenen Konzepte schrittweise umsetzen zu können.
Publikumsfragen: Bewusstseinswandel, Emotionalisierung, autonomes Fahren, Straßenlaternen und Homeoffice
Aus dem Publikum kam die Frage nach tragfähigen Strategien, um einen Bewusstseinswandel auszulösen, der dazu führt, auf grüne Mobilität umzusteigen. Schuh war sich sicher, dass Zwang alleine nichts bezwecken werde. Dem stimmte Bratzel zu: Es brauche eine Emotionalisierung von umweltorientierten Verkehrskonzepten, es müsse Freude machen, umweltbewusst zu handeln. Schmalen gab zu bedenken, dass der erste Schritt der Bewusstseinsveränderung darauf abzielen müsse, dass der Individualverkehr abnehmen müsse.
Auf das Thema „autonomes Fahren“ wurde ebenfalls kurz eingegangen. Bratzel war der Ansicht, dass diese Technologie langsam und wahrscheinlich nicht zuerst auf deutschen Straßen Einzug halten werde. Er sah hier eher das Silicon Valley als Vorreiter, insbesondere bei der Implementierung von Fahrdiensten und Shuttles. Solche Lösungen würden aber die Gefahr bergen, noch mehr Verkehr zu verursachen.
Die Frage nach „Strom für Elektrofahrzeuge aus Straßenlaternen“ beantwortete Dehn als komplexes Thema. Der Umbau, um eine ausreichende Leistung sicherzustellen, sei teuer, hinzu käme das Problem von Ladekabeln als Hindernisse auf dem Gehweg. Zudem sei die Vorstellung, man würde „tanken fahren“, nicht richtig. Geladen werde vor allem dort, wo man sich lange aufhalte: Am Arbeitsplatz und zu Hause, weniger bei kurzen Aufenthalten im Alltag. Mobile Ladecontainer seien vorerst auch keine Lösung. Diese müssten sehr groß sein, um sinnvoll eingesetzt werden zu können, was nicht wirtschaftlich sei. Zudem müsse ein nachhaltiges Laden der Container-Batterien sichergestellt werden. Hinzu kämen Logistik und Transport sowie die Ermittlung einer bedarfsgerechten Platzierung.
Die Frage, ob Homeoffice zu einer Entlastung des Verkehrs führen wird, verneinten die Teilnehmer der Podiumsdiskussion. Wo Kapazitäten frei würden, würde sich neuer Verkehr einstellen und es gäbe keine Verbesserung.
In der Pause und während des Empfangs konnten zwei elektrisch betriebene Fahrzeuge besichtigt werden.
Flyer zum Nachlesen des Programms:
Kontakt:
Ramona Fels
Leiterin der Geschäftsstelle
stellv. Vorstandsvorsitzende
Johannes-Rau-Forschungsgemeinschaft e.V. (JRF)
Im „Haus der Wissenschaft“
Palmenstr. 16
40217 Düsseldorf
Tel.: 0211 994363-47
Fax.: 0211 994363-49
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