Der Aachener Business Transformation Summit, führende Fachveranstaltung für die Fragen rund um die Transformation produzierender Unternehmen, ging gestern in die zweite Runde. Unter dem Thema „Industrial Sustainability“ erörterten Expert:innen aus Forschung und Wirtschaft in Vorträgen und Panel-Diskussionen aktuelle Fragen der industriellen Nachhaltigkeit. Die rund 150 Teilnehmer:innen erhielten Einblicke in Potenziale, Trends und Best Practices aus den Bereichen Produktion & Wertschöpfungsnetzwerk, Mitarbeitende & Kultur, Management & Organisation sowie Produkte & Dienstleistungen. Gemeinsam mit Vertreter:innen unterschiedlicher Branchen und Wirtschaftszweige diskutierte man Gestaltungsoptionen und Lösungen für das integrierte Management der Nachhaltigkeitstransformation in produzierenden Unternehmen.

Paneldiskussion: Management & Organisation v.l.n.r. , Dr. Daniela Kölsch (Bayer AG), Katarin Wagner (HSBC Trinkhaus & Burkhardt AG), Cordula Böhm (GP+S Consulting GmbH), Ruben Conrad (FIR an der RWTH Aachen) [© FIR an der RWTH Aachen]

Standen beim ersten Aachener Business Transformation Summit 2021 die Potenziale und Chancen der digitalen Transformation im Vordergrund, ging es in diesem Jahr darum, die Nachhaltigkeitstransformation greifbar zu machen und darzustellen, was Unternehmen tun müssen, um sie im Hinblick auf Nachhaltigkeit wirklich umzusetzen. „Um die Potenziale der digitalen Transformation zu nutzen, muss auch das Spielfeld da sein, also ein nachhaltiger Planet – genau das steht nach Meinung vieler Expert:innen in Frage. Wir müssen jetzt handeln, um für Mensch und Gesellschaft unsere planetaren Grenzen einhalten zu können“, formulierte Ruben Conrad, FIR-Bereichsleiter Business Transformation, die zentrale Herausforderung unserer Zeit.

Für Unternehmen geht es sowohl um den sorgsamen Umgang mit Ressourcen zum Erhalt unseres Planeten und einer lebenswerten Zukunft als auch um die zukunftssichernde Wertschöpfung. So standen Fragen dazu im Vordergrund, wie sowohl ökologische als auch soziale und ökonomische Ziele im Unternehmen verankert und gelebt werden können. Dazu informierten Vertreter:innen aus Wirtschaft und Wissenschaft in den vier Themenblöcken zu Technologien und Maßnahmen für eine nachhaltige Produktgestaltung, Prozessoptimierungen durch IoT sowie zu Rechten und Verantwortlichkeiten von Nachhaltigkeitsabteilungen. Ebenso erörterten sie den Aufbau eines datenbasierten Nachhaltigkeitsmanagements und beleuchteten die Rolle der Nachhaltigkeit als Teil der Unternehmenskultur.

Diskutiert wurden die Voraussetzungen und Maßnahmen der – wie es ein Referent formulierte – „zwei Gesichter der Nachhaltigkeit“: Klimaneutralität und Kreislaufwirtschaft. Insbesondere in der Kreislaufwirtschaft wird deutlich, dass Nachhaltigkeitsziele nur gemeinschaftlich angegangen werden können. Wichtig sei zu verstehen, dass Wertschöpfung eine Gemeinschaftsleistung ist und kein „Fire & Forget“. Alle Akteure – Partner, Mitarbeitende und weitere Stakeholder – müssen einbezogen werden, um Kreisläufe zu schließen. Neben funktionalen Anforderungen an solche Wertschöpfungsnetzwerke, etwa Risikoanalysen, Lieferkette und Transparenz müssen auch die nicht funktionalen Anforderungen erfüllt sein. Dazu gehören Offenheit, Skalierbarkeit und Integrierbarkeit. Bei alldem ist Vertrauen die elementare Voraussetzung für den Erfolg von Wertschöpfungsnetzwerken. Es muss gewährleistet sein, dass Unternehmensgeheimnisse nicht mit Unbefugten geteilt werden und das eigene Geschäft abgesichert ist.

Klimaneutralität zu erreichen, steht bei allen vertretenen Unternehmen ganz oben auf der Agenda. Einig war man sich darüber, dass man hier ganz am Anfang der Wertschöpfungskette ansetzen muss. In der chemischen Industrie beispielsweise bei den Zulieferern, die unter Nachhaltigkeitsaspekten bewertet und ausgewählt werden sollten. Für die Entwicklung der Nachhaltigkeitsstrategie empfiehlt es sich darüber hinaus, die Fähigkeiten eines Unternehmens zu betrachten und nicht nur von vorhandenen Prozessen und Technologien auszugehen. Wenn man sich bewusst ist, welche Fähigkeiten man bereits hat, kann man hier Prioritäten setzen und diese weiterentwickeln.

Mitarbeitende, Kultur und Führung gehören ebenfalls zu den elementaren Erfolgsfaktoren der Nachhaltigkeitstransformation. Führung übernimmt die Rolle, die Kultur zu gestalten und dafür zu sorgen, Mitarbeitende im Prozess der Transformation mitzunehmen sowie die intrinsische Motivation zu fördern. Wie wichtig das ist, zeigten auch die Erfahrungen der anwesenden Unternehmen. Weiterbildung, Incentivierungen und Nachwuchsförderung tragen demnach wesentlich dazu bei, dass Zielsysteme von den Mitarbeitenden verstanden und getragen werden. Standen soziale Nachhaltigkeitsziele lange im Schatten des Trendthemas Ökologie, gewinnen derzeit Themen wie Diversität und Work-Life-Balance an Relevanz – sowohl im eigenen Unternehmen als auch in der Bewertung von Geschäftspartnern. Geschäftspartner, aber auch potenzielle Mitarbeitende schauen heute viel kritischer darauf, wie Unternehmen mit Mitarbeitenden umgehen und welche Leistungen sie ihnen bieten.

„Die digitale Transformation und die darauf aufbauende Nachhaltigkeitstransformation sollte nicht als Gefahr, sondern als Werttreiber für zukünftiges Wachstum verstanden werden. Nachhaltigkeit muss in einer Ende-zu-Ende-Prozesskette betrachtet werden, um eine erfolgreiche Transformation zu gewährleisten. Dazu muss ich den strategischen Rahmen festlegen. Ich muss Fähigkeiten der Interaktion aufbauen, um mit allen Stakeholdern zu kommunizieren. Ich brauche ein Gesamtzielbild, auf das ich alle Mitarbeitenden im Unternehmen und, über seine Grenzen hinaus, alle Stakeholder bzw. ganze Ecosystems einschwören kann. Daten und KPIs sind essenziell, um zukünftige Potenziale zu identifizieren. Die Mitarbeitenden müssen mobilisiert werden und es ist wichtig zu verstehen, dass Nachhaltigkeit andere Fähigkeiten erfordert als wir sie heute kennen. Dazu braucht es kreativen Raum, neue Formate und eine insgesamt offene Unternehmenskultur, in der Nachhaltigkeit verhaftet ist und aktiv gelebt werden kann“, fasst Gerrit Hoeborn, designierter Nachfolger von Ruben Conrad als Leiter des Bereichs Business Transformation am FIR, die Erkenntnisse des Tages zusammen.

Mit vielen Insights und einem umfangreichen Portfolio aus den unterschiedlichen Perspektiven, Best Practices und Erfahrungsberichten der Nachhaltigkeitstransformation zeigte der diesjährige Business Transformation Summit, dass die Transformation zur industriellen Nachhaltigkeit komplex und dennoch machbar ist. Sie erfordert vor allem ein Umdenken und muss von Führungskräften und Mitarbeitenden gleichermaßen verinnerlicht und getragen werde – „From brain to heart“, wie es einer der Referierenden formulierte.

Auch im kommenden Jahr wird sich der Business Transformation Summit weiter mit aktuellen Themen der Transformation beschäftigen. Interessierte können sich jetzt schon den 14. September 2023 als nächsten Termin vormerken.