Am 3. Dezember 2018 fand am Wuppertal Institut die Veranstaltung „JRF vor Ort: Neue Wege für den kommunalen Fortschritt“ statt, bei der Referierende über die Arbeit von kommunalen Innovationslaboren diskutierten. Nach der Begrüßung der rund 60 Gäste, begann die Veranstaltung mit einer offenen Diskussion, an der sich auch Prof. Dr. Dieter Bathen, Vorstandsvorsitzender der Johannes-Rau-Forschungsgemeinschaft (JRF), und Prof. Dr. Christa Liedtke, Leiterin der Abteilung Nachhaltiges Produzieren und Konsumieren am Wuppertal Institut, beteiligten.

Die Veranstaltung griff ein durchaus brisantes Thema auf, welches auch fernab der Wissenschaft gesellschaftlich relevant ist: Wie soll das Leben in der Stadt zukünftig aussehen und wer darf das gemeinschaftliche Zusammenleben mitgestalten? Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass der Wunsch nach mehr bürgerlicher Mitbestimmung nicht nur von einigen Wenigen ausgeht. Zahlreiche Bürgerinitiativen, die sich mit der Stadtplanung befassen, erhielten nicht nur breite öffentliche Resonanz, sondern gingen auch ins kollektive Gedächtnis ein – wie etwa die Proteste um Stuttgart 21 und einige Jahre zuvor der Bau des Elbtunnels in Dresden.

Die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland wurden indes selbstbewusster und sind mittlerweile auch bereit ihre Anliegen aktiv zu durchzusetzen oder stellen Forderungen an die Politik. Wie genau ein Miteinander zwischen der Stadt und den Bürgerinnen und Bürgern aussehen kann und welche Rolle dabei letztlich die Wissenschaft spielen kann, stand im Fokus der JRF-vor-Ort-Veranstaltung.

Als Referierende nahmen unter anderem Jürgen Schultze, Wissenschaftler der Sozialforschungsstelle der Technischen Universität Dortmund, Prof. Dr.-Ing. Oscar Reutter vom Wuppertal Institut und Projektleiter der „Kommunalen Labore sozialer Innovation“ – kurz KoSI-LAB –, sowie die wissenschaftliche Mitarbeiterin Mona Wallraff vom Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung (ILS) teil.

In ihren jeweiligen Impulsvorträgen behandelten sie schwerpunktmäßig die praktischen Erfahrungen, die sie innerhalb der KoSI-LABs gesammelt haben. KoSI-LABs sind sogenannte Reallabore in Wuppertal und Dortmund, die in Kooperation zwischen dem Wuppertal Institut und der Sozialforschungsstelle der Technischen Universität (TU) Dortmund entstanden sind. Ihr Ziel: Die Labore sollen auf transdisziplinäre Weise, also in Gemeinschaft von Wissenschaftlern und Bürgern, auftretende Probleme in der Kommune behandeln, damit diese, so Oscar Reutter, „auf Augenhöhe“ gelöst werden können. Die Expertinnen und Experten waren sich einig, dass die Labore dafür eine Brücke zwischen Wissenschaft und Praxis bilden.

Jürgen Schultze, Technische Universität Dortmund, Sozialforschungsstelle

Jürgen Schultze von der TU Dortmund argumentierte in seinem Vortrag, dass der Wissenschaft dabei eine Vermittlerrolle beigemessen werden könne. Insbesondere hinsichtlich „sozialer Innovationen“, die in Form bewusster Verhaltensänderungen in Erscheinung tritt, sieht Schultze ein nicht zu unterschätzendes Potenzial. Innovationslabore wie das KoSI-LAB dienen auf diese Weise als Vorbild, die die Interessen verschiedener Stakeholder zusammenführen und die kollektive Intelligenz bündeln.

Prof. Dr.-Ing. Oscar Reutter, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie

In direktem Bezug hierzu ging Oscar Reutter in seinem Vortrag auf die Arbeit des KoSI-LABs ein, das aktuell im Arbeitsbereich des „Zentrums für gute Taten“ bei der Vermittlung von Ehrenämtern behilflich ist. Die von Jürgen Schultze genannte Rolle der Wissenschaft als Mediator verschiedener Interessen, deckt sich auch mit dem Selbstverständnis des KoSI-LABs, welches sich als „Vermittler zwischen der Stadt und Initiativen“ sieht. Das KoSI-LAB agiert dabei gemäß dem Motto „bürgerschaftlich – unabhängig – neu“ und basiert auf dem Prinzip der Partizipation – also der Einbeziehung von Bürgerinteressen. Zurzeit arbeiten das Wuppertal Institut, der Verein Zentrum für gute Taten e. V. und die Stadt Wuppertal an der Wiederbelebung leerstehender Ladenlokale, der Vision von Wuppertal als Großstadt ohne Einwegbecher und planen den Bau von Fahrradquartiersgaragen. Auf diese Weise könne Wuppertal als Ideenzentrum und Blaupause für andere Städte agieren.

Mona Wallraff, ILS – Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung

Mona Walraff vom ILS thematisierte in ihrem Vortrag die Herausforderungen, die bei Reallaboren wie dem KoSI-LAB auftreten können und welche Indikatoren dafür erfolgversprechend sind. Merkmale solcher Innovationslabore seien die flachen Hierarchien und die praxisnahe gemeinschaftliche Arbeit, bei der auch neuartige Ideen erprobt werden können. Ein häufig auftretendes Problem: Labore sind oftmals unzureichend finanziert, was deren Planung und durch unbestimmte Zeithorizonte erschwert werde. Insgesamt sei aber die personelle Kontinuität sehr positiv, ebenso wie die Zusammenarbeit mit Beteiligten mit politischen Mandaten. Diese beiden Aspekte seien ausschlaggebend für die Handlungsfähigkeit und sicherten die Innovationslabore finanziell.

V.l.n.r. Oscar Reutter, Clara Utsch, Ralf Zimmer-Hegmann, Prof. Dr. Christa Liedtke, Eva Wascher

Auf dem Podium diskutierten abschließend Dietmar Bell, wissenschaftspolitische Sprecher der SPD im NRW-Landtag, Prof. Dr. Christa Liedtke vom Wuppertal Institut, Eva Wascher (Sozialforschungsstelle, TU Dortmund), Clara Utsch (Stabsstelle Bürgerbeteiligung und Bürgerengagement der Stadt Wuppertal) und Ralf Zimmer-Hegmann vom Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung. Die Podiumsgäste teilten die Auffassung, dass es mehr Bürgerbeteiligung geben müsse, um dem potenziell abnehmenden Trend in der Kommunalpolitik in Deutschland begegnen zu können und zu begrenzen.

Die Gäste brachten sich mit gezielten Fragen in die Debatte ein. Insbesondere interessierte sich das Publikum dafür inwiefern wirtschaftliche Interessen die Arbeit der Reallabore beeinflussen könnten, da Großkonzerne wie Google in solche Forschungsumgebungen investieren – sie bezogen sich auf KoSI-LAB und ob das Ehrenamt nicht ausgenutzt würde. Die Bedenken konnten bezüglich des KoSI-LABs beschwichtigt werden, da es einerseits im Unterschied zu anderen Laboren langfristig finanziert sei und durch Investoren keine Gefahr bestehe. Andererseits gäbe es wegen der Ehrenämter eine geplante Kooperation mit der Stadt Wuppertal, wie diese vergütet werden könnten.

Weiterführende Informationen zur JRF-Veranstaltung und zum Projekt KoSI-LAB sind in den nachfolgenden Links zu finden.

KoSI-LAB-Projekt

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