Am 15. Mai 2022 wird in NRW ein neuer Landtag gewählt. Die Wissenschafts- und Forschungspolitik ist eine zentrale Aufgabe der NRW-Landespolitik. Daher bot die überparteiliche Johannes-Rau-Forschungsgemeinschaft (JRF) des Landes NRW den wissenschaftspolitischen SprecherInnen der aktuell im Landtag vertretenen Parteien am 5. April 2022 eine Plattform, um ihre Vorstellungen zu Wissenschaft und Forschung für die kommende Legislaturperiode in Impulsvorträgen vorzustellen.

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Daniela Beihl, stellte die Position der FDP in einer Videobotschaft dar: Leitgedanke solle die größtmögliche wissenschaftliche Freiheit sein anstelle gezielter Förderung themenspezifischer Forschung: „Mein Grundsatz ist, dass wir Ihnen als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die besten Bedingungen bieten wollen – das heißt Sie in erster Linie aber auch in Ruhe zu lassen und nicht vorzuschreiben, wie Sie arbeiten oder woran Sie arbeiten. Ihnen zu vertrauen und Sie zu ermutigen Ihre Vorhaben weiter zu verfolgen. Wer uns freie Demokraten kennt, der weiß, dass Wissenschaftsfreiheit ohne Denkverbote kein Lippenbekenntnis ist, sondern unsere Grundüberzeugung.“

Raphael Tigges, CDU, vertritt hier eine etwas andere Position: „Ganz wichtige, innovative Projekte sind in unserer Gesellschaft gefragt. Damit diese bestmöglich gefördert werden können, beabsichtigen wir eine Innovationsfonds von 100 Millionen Euro auf den Weg zu bringen. Ein wichtiger Punkt ist hierbei das Thema Quantenforschung und Quantencomputing. Wir haben vor, NRW zum Technologieführer zu machen. Dafür haben wir die Zusage gegeben, dass wir 50 zusätzliche Professuren in diesem Kompetenzbereich einrichten wollen. Dazu kommen weitere 50 Professorenstellen im Bereich der künstlichen Intelligenz. Hier passiert in unserem Land gerade eine ganze Menge und das wollen wir hiermit unterstützen.“

Dietmar Bell, stellte die Position der SPD in acht Punkten zusammengefasst heraus. Eines der angesprochenen Themen war die Arbeitssituation an den Hochschulen: „Das Thema gute Arbeit an den Hochschulen unseres Landes hat uns als Sozialdemokratie bereits bei der Hochschulnovelle 2014 intensiv befasst. Nicht erst durch die initiative #IchBinHanna, sondern auch wegen der bestehenden und sich zuspitzenden Konkurrenzsituation auf dem Arbeitsmarkt scheint die Notwendigkeit, die Arbeitsbedingungen an unseren Hochschulen qualitativ weiterzuentwickeln, durchaus aktuell. Wir werden diese Frage erneut aufgreifen. Stichpunkte dabei sind: Die vermehrte Schaffung von dauerhafter Beschäftigung, die schwierige Situation von Promovierenden und die Forderung nach einem Tarifvertrag für studentische Hilfskräfte.“

Die AfD, vertreten durch Helmut Seifen, stellte die grundsätzliche Entwicklung der Wissenschaftsstruktur in Deutschland infrage. Zu den Reformforderungen gehören, den Bologna-Prozess der Vereinheitlichung von Studiengängen und -abschlüssen rückgängig zu machen und das leistungsorientierte Staatsexamen anstelle der Vielzahl an Bachelor- und Masterabschlüsse wieder einzuführen. „Paradoxerweise hat sich die Idee der Exzellenzuniversität etabliert, und sie wird auch gefeiert. Meiner Ansicht nach allerdings sollte jede Universität eine Exzellenzuniversität sein. Die Maßstäbe, mit der eine Universität den Exzellenztitel erhält, enthalten ebenso quantitative Elemente und richten sich nach dem größeren Erfolg, aber nicht unbedingt nach einer höheren Leistungsfähigkeit.“

Matthi Bolte-Richter, die Grünen, betonte unter anderem die Wichtigkeit der wissenschaftlichen Akteure für nachhaltiges Forschen: „Wir wollen dafür sorgen, dass Nachhaltigkeit in das Gesamtsystem Hochschule und von dort aus in die Gesellschaft gebracht wird. Deswegen schlagen wir vor, dass wir Green-Offices an den Hochschulen einführen und KlimaschutzmanagerInnen an den Hochschulen fördern. Das ist unser Ziel, dass wir nicht nur Forschung für Nachhaltigkeit fördern, sondern auch wissenschaftliche Akteurinnen und Akteure darin unterstützen, ihre Erkenntnisse in die Gesellschaft hineinzutragen. Wir müssen davon wegkommen, dass wir Nachhaltigkeit als Leuchtturmprojekt ansehen, sondern als Regel.“

Einigkeit bestand unter der CDU, der SPD und den Grünen beim Thema Transferforschung an den außeruniversitären Instituten und insbesondere der Johannes-Rau-Forschungsgemeinschaft: Sie bemängeln die finanzielle Diskrepanz zwischen den von Bund und Land finanzierten außeruniversitären Forschungsinstituten und den vom Land finanzierten Instituten. Damit werde die wissenschaftliche Konkurrenzfähigkeit der JRF auf Dauer infrage gestellt. Daher beabsichtigen die Vertreter der Parteien, die Grundförderung der JRF-Institute zu erhöhen.

In einer anschließenden Podiumsdiskussion unter dem Titel „Perspektiven für die Wissenschafts- und Forschungspolitik in NRW“ wurden die Positionen vertiefend diskutiert. Moderiert wurde die Veranstaltung vom Wissenschaftsjournalisten Dr. Jan Martin Wiarda.

Zu den zentralen Fragen der Diskussion zählten unter anderem: Welche Erwartungen und Forderungen stellen die Parteien an die Wissenschaft in NRW? Existiert in NRW eine Forschungsstrategie? Ist es nötig, gesellschaftsrelevante Themen gezielt mit Drittmitteln zu fördern oder sollte sich die Politik zurückhalten, um nicht in die Freiheit der Wissenschaft einzugreifen? Die Parteien beantworteten diese Fragen entsprechend der obigen Statements deutlich unterschiedlich. Einen weiteren Schwerpunkt der Diskussion stellte die Förderung der Transferforschung dar, welche mithilfe der geplanten Deutschen Agentur für Transfer und Innovation (DATI) auf Bundesebene stärker in den Mittelpunkt gerückt werden soll. Hier war man sich einig, die Hochschulen für angewandte Wissenschaften zu fördern, aber auch den anwendungsorientierten außeruniversitären Forschungseinrichtungen wie den JRF-Instituten einen geeigneten Zugang zu ermöglichen.

Einigkeit bestand auch in der Frage nach der Aufarbeitung der sozialen Vernachlässigung der Studierenden während der Coronapandemie sowie der Notwendigkeit der stärkeren Unterstützung der Studierendenwerke insbesondere in Bezug auf studentisches Wohnen. Zudem wurde von allen Parteien eine bessere Beratung vor dem Übergang in ein Studium angestrebt, wobei gleichzeitig auch der Weg in Ausbildungsberufe und duale Studiengänge angesichts des Fachkräftemangels beworben werden sollte.

Der anschließende Empfang bot die Möglichkeit, über die Themen in den Austausch zu kommen und persönlich auf die wissenschaftspolitischen Sprecher zuzugehen.

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