Diskriminierung und Anfeindungen durch andere Geflüchtete oder durch Menschen mit Migrationsgeschichte aus demselben Herkunftskontext ist ein häufig übersehener Teil des Alltags von Geflüchteten. Viele Betroffene ziehen sich in Reaktion auf solche Erfahrungen zurück oder isolieren sich sozial, um Konflikte zu vermeiden. Da die Konfliktbeteiligten emotional stark involviert sind und sich Anfeindungen häufig pauschal auf ganze Gruppen beziehen, besteht jedoch auch ein Eskalationsrisiko.
In BICC Policy Brief 6\2019 „Zum Umgang mit Konflikten unter Geflüchteten und Migrantengemeinschaften in NRW – Gleichbehandlung sicherstellen und Partizipation auf Augenhöhe ermöglichen“ gibt Autor Tim Röing folgende Politikempfehlungen:
– Gegen Anfeindungen unter Geflüchteten und Menschen mit Migrationsgeschichte vorgehen
Viele Geflüchtete erleben Diskriminierung und Anfeindungen in Deutschland aufgrund ihrer ethnischen oder religiösen Zugehörigkeit bzw. ihrer Weltanschauung. Manche von ihnen empfinden dies als Fortsetzung von Konflikten aus ihrem Herkunftskontext. Um dem vorzubeugen, müssen Landesregierung und Kommunen Strategien zur Konfliktprävention entwickeln.
– Mehrsprachige, kultursensible Beschwerdestellen in Unterkünften einrichten
Diskriminierungen und Anfeindungen geschehen oft sehr subtil im Alltag, können jedoch zu Gewalt führen, wenn Geflüchtete keine anderen Möglichkeiten zur Konfliktaustragung sehen. Unterkunftsbetreiber, Kommunen und das Land NRW müssen daher niederschwellige Mechanismen zur gewaltlosen Konfliktlösung bereitstellen.
– Mitarbeiter und Ehrenamtliche für mögliche Diskriminierungen sensibilisieren
Ungleiche Behandlung, aber auch offene Diskriminierungen von Geflüchteten durch Unterkunftsmitarbeiter und Ehrenamtliche verstärken Konflikte. Unterkunftsbetreiber müssen dies durch Aufklärung und Sensibilisierung von Mitarbeitern und eine bessere Koordination von Unterstützungsangeboten verhindern.
– Neutralität beauftragter Selbstständiger und Dienstleister sicherstellen
Manche Geflüchtete erleben Anfeindungen durch Übersetzer beim BAMF oder durch Mitarbeiter von Sicherheitsdienstleistern in Unterkünften. Derartige Vorkommnisse müssen konsequent geahndet werden, da sie Angst verursachen und ein Sicherheitsrisiko darstellen. Die verantwortlichen Stellen müssen durch Schulung und Überprüfung von Dienstleistern präventiv tätig werden.
– Migrantenselbstorganisationen fördern und in Integrationskonzepte einbinden
Konfliktprävention bedeutet nicht nur die Integration von Geflüchteten in die deutsche Mehrheitsgesellschaft, sondern muss alle Bevölkerungsteile gleichermaßen auf Augenhöhe einbeziehen. Migrantenselbstorganisationen können hierbei einen wertvollen Beitrag leisten, wofür sie jedoch Kapazitäten und Wissen benötigen. Die NRW-Landesregierung und Kommunalverwaltungen müssen Migrantenselbstorganisationen auf Grundlage transparenter Kriterien fördern.
Diese Publikation basiert auf Daten, die das BICC-Forschungsprojekt „Zwischen Bürgerkrieg und Integration – Die Aufnahme von Flüchtlingen als Chance und Risiko für den gesellschaftlichen Wandel in NRW“ seit Mitte 2016 erhob. Es wurden qualitative Einzel- und Gruppeninterviews mit insgesamt 40 Geflüchteten sowie 15 Experteninterviews mit Vertreterinnen und Vertretern von Migrantenselbstorganisationen und Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern durchgeführt. Zudem flossen Daten aus der Feldforschung für eine Studie zu Konflikten und Konfliktprävention in Unterkünften für Geflüchtete ein, die im gleichen Projekt erhoben wurden (Christ et al. 2017).
Sie finden den Volltext von BICC Policy Brief 6\2019 „Zum Umgang mit Konflikten unter Geflüchteten und Migrantengemeinschaften in NRW – Gleichbehandlung sicherstellen und Partizipation auf Augenhöhe ermöglichen“ HIER.