Reden wir über „manels“. Das sind Veranstaltungen mit ausschließlich männlichen Sprechern. Sie stehen stellvertretend für ein Problem in Wissenschaft und Gesellschaft. Die Open Society Foundation hat bei über 20 hochrangigen europäischen Konferenzen zwischen 2012 bis 2017 die Geschlechterzugehörigkeit der Sprecher*innen untersucht. Diese waren nur zu 26 Prozent Frauen. Zu ähnlichen Ergebnissen kommen Untersuchungen, die sich auf die aktive Teilnahme von Frauen bei (natur-) wissenschaftlichen Veranstaltungen beziehen oder einen globalen Vergleich anstellen: Die Anteile weiblicher Podiumsgäste oder Sprecherinnen überschreitet selten ein Drittel, erhöht sich nur langsam und ist in bestimmten Fachrichtungen sogar rückläufig.

Anlässlich des Internationalen Tages der Frauen und Mädchen in der Wissenschaft, der am 11. Februar begangen wird, ist dies ein beklagenswertes Bild. Wie auch das Unterziel 5.5 der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung soll der Tag dazu beitragen, die aktive Teilhabe von Frauen am gesellschaftlichen Leben und ihre Chancengleichheit bei der Übernahme von Führungsrollen zu erhöhen. Insbesondere geht es darum, dass Mädchen und Frauen in Bildung und (Natur-) Wissenschaft präsenter sind. Ihre Benachteiligung in diesen Bereichen setzt sich an anderer Stelle fort: So verdienen Frauen, die auch häufiger in schlechter bezahlten Berufen tätig sind, im globalen Schnitt 20 Prozent weniger als Männer; nur 24 Prozent aller Parlamentarier*innen waren im Jahr 2018 Frauen.

Viel spricht dafür, dass die mangelnde Sichtbarkeit weiblicher Expertinnen in prominenten Situationen – wie etwa Podiumsdiskussionen – dazu beiträgt, Vorstellungen männlicher Überlegenheit aufrechtzuerhalten. Wenn Mädchen und Frauen Vorbilder fehlen, um einflussreiche Rollen und verantwortungsvolle Positionen zu übernehmen, verfestigt dies auch bestehende (Chancen-)Ungleichheiten. Die geringe Präsenz von Frauen sowie anderer benachteiligter Gruppen führt dazu, dass etliche Perspektiven im öffentlichen Diskurs unberücksichtigt bleiben. Dies schränkt auch die Möglichkeiten ein, Lösungen für komplexe Probleme zu finden.

Es gibt verschiedene Gründe, warum Frauen bei Veranstaltungen unterrepräsentiert sind. Oft beklagen Veranstalter*innen, dass die angefragten Expertinnen nicht zur Verfügung gestanden hätten, dass es schwierig gewesen sei, eine Frau mit Expertise im gesuchten Themenfeld zu finden oder dass die weibliche Teilnehmerin kurzfristig abgesagt habe.

Dahinter stehen größtenteils strukturelle Barrieren. Wissenschaftlerinnen haben weniger Führungspositionen inne als ihre männlichen Kollegen. Werden Teilnehmer*innen für Veranstaltungen nach Titel und Funktion gesucht, reduziert sich dadurch automatisch die Zahl der zur Verfügung stehenden Expertinnen. Oft beschränken Organisator*innen die Suche nach Expert*innen auf die ihnen bekannten Netzwerke; diese sind häufig männlich dominiert. Frauen arbeiten häufiger in Teilzeit und sind stärker als Männer in die Familienarbeit eingebunden. Schließlich sind Frauen auch zögerlicher bei der Annahme von Einladungen zu Themen, die vage formuliert sind oder ihrer Wahrnehmung nach nicht zu ihrem Kernbereich gehören.

Für Institutionen, Organisator*innen und Einzelne gibt es unterschiedliche Ansatzpunkte, um die öffentliche Präsenz von Wissenschaftlerinnen zu stärken. Institutionen können die Geschlechterdiversität von Veranstaltungen zu einem Kernanliegen machen und dieses nach Innen und Außen kommunizieren. Dazu gehören selbst gesetzte Quoten, die regelmäßig überprüft werden. Eine andere Maßnahme sind Fortbildungen, die für Diversitätsthemen sensibilisieren. Führungskräfte prägen eine geschlechtergerechte Kultur, wenn sie sich dazu bekennen, nicht mehr an „manels“ teilzunehmen. Ist eine Institution Geldgeberin, kann sie Anreize oder Bedingungen dafür schaffen, dass sowohl männliche als auch weibliche Perspektiven gehört werden.

Wer Veranstaltungen organisiert, sollte früh mit der Planung beginnen und die Rahmenbedingungen möglichst familienfreundlich gestalten. Dies betrifft die Veranstaltungszeiten oder Kinderbetreuung. Wichtig ist zudem, sich aktiv um weibliche Expertinnen zu bemühen. Um Wissenschaftlerinnen jenseits der eigenen Netzwerke zu finden, hilft es, ganz unterschiedliche Personen nach Empfehlungen zu fragen und spezielle Datenbanken zu nutzen. Diskussionen mit Kolleg*innen am Deutschen Institut für Entwicklungspolitik legen nahe, dass sich die Chancen einer Zusage erhöhen, wenn deutlich wird, warum die Expertin angefragt wurde, was die Zielsetzung der Veranstaltung ist und wie der Ablauf geplant ist. Auch reicht es nicht, nur eine Frau einzuladen, denn die Rolle der „Quotenfrau“ ist äußerst undankbar. Eine unterschätzte Rolle spielt zudem eine kompetente Moderation, die alle Teilnehmer*innen gleichermaßen in die Diskussion einbindet.

Auch Einzelne können Veränderungen anstoßen. Um das Bewusstsein für das Thema zu erhöhen, können angefragte Expert*innen nach dem Geschlechterverhältnis der Veranstaltung fragen und betonen, dass ihnen eine gemischte Zusammensetzung wichtig ist. Männer können sich weigern, an rein männlich besetzten Veranstaltungen teilzunehmen. Etablierte Wissenschaftler*innen können bei Anfragen auf jüngere Kolleg*innen verweisen und diesen die Chance geben, ihre Präsentationskompetenzen zu stärken.

Es gibt durchaus viele Stellschrauben, um Wissenschaftlerinnen mehr Sichtbarkeit zu verschaffen. Nutzen wir sie, nicht zuletzt, um das Innovationspotential diverser Perspektiven auszuschöpfen und bessere Lösungen für anstehende Zukunftsaufgaben zu finden.

Gerne können Sie zu dieser Kolumne auch das Kurzvideo (1:14 min) auf dem Youtube-Kanal des DIE anschauen.

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Über die Autorinnen Dr. Tatjana Reiber und Dr. Eva Dick.